„Leuchtende Jahre“ hat mich sehr begeistert. Collage-artig montiert, aber in chronologischer Reihenfolge erzählt es im Plauderton von sieben bedeutenden Frauen der Künstlerszene der Weimarer Republik. Die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatten für kurze Zeit das Potenzial, Frauen ein Stück
voran zu bringen. Allerdings liefert das Buch keine soziologische Analyse, denn alle sieben…mehr„Leuchtende Jahre“ hat mich sehr begeistert. Collage-artig montiert, aber in chronologischer Reihenfolge erzählt es im Plauderton von sieben bedeutenden Frauen der Künstlerszene der Weimarer Republik. Die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatten für kurze Zeit das Potenzial, Frauen ein Stück voran zu bringen. Allerdings liefert das Buch keine soziologische Analyse, denn alle sieben Frauen, die hier herausstellt werden, waren genau das: auf unterschiedliche Weise privilegiert, dem Durchschnitt der Mehrheit entsprachen sie definitiv nicht.
Regine Ahrem geht es primär um das Leben der Frauen, weniger um ihre Werke. Diese finden zwar Erwähnung, vor allem das ein oder andere entstehungsgeschichtliche Detail, aber sie liefert keine Deutungen oder Interpretationen. Sie erzählt rein chronologisch anhand biografischer Daten in kurzen, wechselnden Kapiteln, die für mich manchmal ein bisschen zu kurz sind, weil sie den Text unruhig machen.
1933 sind „die paar leuchtenden Jahre vor der großen Verdunklung“ (Kaléko) abrupt vorbei, als Hitler Reichskanzler wird. Keuns Romane fallen der Bücherverbrennung zum Opfer; alle anderen verschwinden in den Folgejahren aus den Regalen. Fünf der sieben Frauen verlassen Deutschland für viele Jahre.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Dabei habe ich nicht nur viele Details aus den Leben dieser bemerkenswerten Frauen erfahren, sondern auch viel über das Filmgeschäft, das Zeitungswesen und den Buchmarkt in den Zwanziger Jahren. Bereits damals sprach man von einer Buchkrise, zumindest in Berlin, denn das kulturelle Angebot war dort so groß, dass die Berliner gar keine Lust hatten, zu Hause zu bleiben.
Viele Entwicklungen in diesen Jahren waren der heutigen Zeit nicht unähnlich, und das finde ich erschreckend und nachdenkenswert. Regine Ahrems Buch weckt Interesse, mehr und vertiefend über diese Frauen und über die Kulturszene während der Weimarer Republik zu lesen.
Die damals bekannteste von ihnen war Vicki Baum, die, aus arrivierten Verhältnissen stammend, bereits eine erfolgreiche Autorin war und als DAS Gesicht des Ullstein-Verlags zur erfolgreichsten Autorin ihrer Epoche wurde. 1932 emigrierte sie in die USA, was nicht mit politischer Hellsichtigkeit, sondern mit ihrem grandiosen Erfolg dort zu tun hatte.
Marieluise Fleißer bildete den Gegenpol zu Vicki Baum, sie entstammte einem Kleinstadtmilieu, verdankte ihren Aufstieg der Entdeckung durch Bertolt Brecht, der sie zur gefeierten Theater-Autorin machte, jedoch keine Skrupel hatte, sie für den Preis des kurzzeitigen Erfolgs in ihrer Heimatstadt unmöglich zu machen, so dass sie sich dort auf Jahre hinaus nicht mehr blicken lassen konnte. Fleißer hatte kein Glück mit der Wahl ihrer Männer und war jahrelang in einer toxischen Beziehung gefangen, die auch Einfluss auf ihren literarischen Weg nahm.
Mascha Kaléko kam ebenfalls aus bescheidenen Verhältnissen. Die junge Frau aus dem Scheunenviertel machte mit ihren Zeitungsgedichten, die auf Anhieb verständlich sind und keiner großen Interpretation bedürfen, auf sich aufmerksam und eroberte sehr schnell ein großes Publikum und wurde fortan im gleichen Atemzug mit ihren Kollegen Tucholsky, Kästner und Ringelnatz genannt.
Gabriele Tergit war eine der wenigen Journalistinnen jener Zeit. Als Frontfrau beim Berliner Tageblatt etablierte sie das Genre der Gerichtsreportagen. Parallel arbeitete sie an ihrem ersten Roman.
Irmgard Keun, Erika Mann und Ruth Landshoff waren Schauspielerinnen, bevor sie das Schreiben für sich entdeckten. Alle drei kamen aus begüterten Verhältnissen. Keun war Stenotypistin in der Firma ihres Vaters, bevor sie die Schauspielschule besuchte, ein Umstand, der später in ihren Romanen zum Tragen kam, weil ihr diese Welt vertraut war. Ihr Erfolg aus Schauspielerin war eher mäßig, da traf es sich gut, dass sie ihr literarisches Talent entdeckte und mit „Gilgi“ und „Das kunstseidene Mädchen“ zwei der größten literarischen Erfolge der Neuen Sachlichkeit verfasste. Erika Manns Erfolg als Schauspielerin war präsenter und taugte zusammen mit den Namen ihres Bruders Klaus und ihres späteren Ehemanns Gustav Gründgens für das Feuilleton. Glamour, Klatsch und Tratsch hatten auch vor einhundert Jahren schon Wirkung. Erikas Talente waren vielschichtig, sie gründete das Kabarett „Die Pfeffermühle“ und schrieb zahlreiche journalistische Reiseberichte. Ruth Landshoff war DAS Glamour-Girl jener Jahre. Genderfluid wie Erika, war sie bis zu ihrer Hochzeit mit Graf Yorck mit einem sehr reichen, älteren Mann liiert, der ihr sämtliche Türen öffnete.
Keun, Kaléko, Fleißer, Landshoff und Tergit können nach dem Krieg nicht mehr an ihre Erfolge aus der Weimarer Zeit anknüpfen. Tergits epischer Roman „Effingers“ erscheint zwar in den Fünfzigern, stößt aber zu diesem Zeitpunkt nicht auf Leserinteresse. Erika Mann hat nach dem Krieg nichts Neues mehr geschrieben, sondern agierte als Assistentin ihres Vaters sowie später als dessen Nachlassverwalterin.