Yasmin Ghorami ist an einem Punkt in ihrem Leben, wo alles perfekt zu laufen scheint. Als Assistenzärztin in der geriatrischen Abteilung hat sie einen sinnvollen Beruf mit guten Zukunftsaussichten, in ihrem Verlobten Joe, ebenfalls Arzt, eine liebevolle Beziehung. Das Verhältnis zu ihren aus Indien
stammenden muslimischen Eltern ist stabil und auch mit Joes Mutter Harriet, einer entschiedenen…mehrYasmin Ghorami ist an einem Punkt in ihrem Leben, wo alles perfekt zu laufen scheint. Als Assistenzärztin in der geriatrischen Abteilung hat sie einen sinnvollen Beruf mit guten Zukunftsaussichten, in ihrem Verlobten Joe, ebenfalls Arzt, eine liebevolle Beziehung. Das Verhältnis zu ihren aus Indien stammenden muslimischen Eltern ist stabil und auch mit Joes Mutter Harriet, einer entschiedenen Feministin, die sich für sexuelle Befreiung starkmacht, versteht sie sich gut. Yasmins größte Sorge scheint die erste Zusammenführung dieser beiden ungleichen Familien zu sein, möglichst ohne Katastrophen und Szenen. Doch überraschender Weise läuft das Treffen gut, besonders die beiden Mütter entwickeln schnell eine enge Freundschaft. Die wahren Fallstricke lauern woanders. Mit dem Näherrücken der Hochzeit entdecken sowohl Yasmin als auch Joe Aspekte ihrer Familien, die sie zwingen, ihre eigenen Wünsche, Vorstellungen und Beziehungen völlig neu zu überdenken.
Ich muss zugeben, besonders stilistisch hatte ich mir von „Liebesheirat“ von Monica Ali mehr erwartet. Besonders, da ihr Roman „Brick Lane“ es bis auf die Shortlist des Booker Prize geschafft hat, eines Preises, der meinen Geschmack nicht immer trifft, aber zumindest in literarischer Hinsicht für hohe Qualität steht. „Liebesheirat“ hat sich für mich eher wie bessere Unterhaltungsliteratur gelesen, die durchaus das ein oder andere Mal die Grenze zum Banalen oder sogar Kitschigen überschreitet und den arroganten Kleinkritiker in mir das Gesicht verziehen lassen hat. Auf der anderen Seite kann Ali aber auch sehr starke Szenen schaffen. Öfters habe ich mich komplett im Geschehen verloren, mich mit gefreut und mitgelitten. Das galt besonders für die Szenen mit den alten Patienten im Krankenhaus und jene mit Yasmins Vater, dessen innerer Kampf mit der Diskrepanz zwischen Lebensentwurf und Realität sehr greifbar war. Überhaupt hat Ali ein Talent für Figuren, die einem ans Herz wachsen, an deren Außen- und Innenleben man gerne teilnimmt.
Was die Geschichte betrifft, so könnte man einwerfen, dass sie ein wenig überladen ist. Wie plötzlich alles aus den Fugen zu geraten scheint, es an allen Ecken und Enden brennt… Das kann einem übertrieben vorkommen, gerät aber nicht in den Bereich der Unglaubwürdigkeit. Ein wenig bedauert habe ich, dass es keine wirklichen Paukenschläge gab. Als Leser habe ich vielleicht nicht immer gewusst, was als nächstes passiert, es aber durchaus geahnt. Ein wenig hat mich der ganze Aufbau des Romans an eine Fernsehserie erinnert. Inklusive Cliffhanger am Ende der Kapitel.
Ich habe „Liebesheirat“ nicht als ein Buch gelesen, in dem es um die Komplikationen interkultureller Beziehungen oder Zugehörigkeit geht, sondern viel mehr um die Komplexität und Vielfalt menschlicher Beziehungen, familiärer, freundschaftlicher, sexueller, partnerschaftlicher… Und die Frage, welche Wichtigkeit wir uns und unseren Bedürfnissen in diesem Netz zusprechen oder einfordern.
Ich habe von Lesern, denen „Liebesheirat“ nicht sonderlich gefallen hat, gehört, dass „Brick Lane“ ein ganz anderes Niveau habe. Ich werde dieser Behauptung sicher noch auf den Grund gehen, doch für sich genommen habe ich „Liebesheirat“ zwar nicht als Must-Read empfunden, aber sicher als ein Buch, dass mich gut unterhalten hat.