Mord aus männlicher Eitelkeit
Nach und nach entrollt sich das Leben einer jungen, modernen, unbeschwert lebenden Frau. Sie studiert, trennt sich von ihrem Freund und wird dafür von ihm ermordet. Doch dafür wird er nie verurteilt, denn die Tat wird, obwohl es kaum Zweifel daran gibt, als Suizid
deklariert. Er selbst lebt unbelastet fort. Fast 30 Jahre später kehrt Lilianas Schwester, eben die…mehrMord aus männlicher Eitelkeit
Nach und nach entrollt sich das Leben einer jungen, modernen, unbeschwert lebenden Frau. Sie studiert, trennt sich von ihrem Freund und wird dafür von ihm ermordet. Doch dafür wird er nie verurteilt, denn die Tat wird, obwohl es kaum Zweifel daran gibt, als Suizid deklariert. Er selbst lebt unbelastet fort. Fast 30 Jahre später kehrt Lilianas Schwester, eben die Autorin Cristina Rivera Garza, nach Mexiko zurück und fordert Gerechtigkeit. Doch diese ist beinahe unmöglich zu erhalten, denn die Bürokratie und das Patriarchat insgesamt behindern alle Bemühungen. Denn eine „Tat aus Liebe“, wenn es denn schon eine solche gewesen sein mag, wird nachsichtig beurteilt.
Und das ist das wahre Grauen einer solchen Tat, dass Männer beinahe ermutigt werden, sie ungestraft zu wiederholen. Und dass Frauen sich nirgends auf der Welt sicher fühlen können. Denn auch heute noch grassiert der Femizid, in den letzten Jahren gerade zum Beispiel in Österreich. Man spürt besonders in dieser Hinsicht, dass in Ländern wie Mexiko hauptsächlich die Männer bei der Justiz vorne dran und bestrebt sind, auf ihr eigenes Geschlecht möglichst wenig Schatten fallen zu lassen. Das muss einmal gesagt und geschrieben werden.
Das Cover führt den Betrachter in die Irre, denn wer man glaubt, einen leichten Sommerroman in Händen zu halten, täuscht sich gewaltig. Es ist harte Kost, über das zu lesen, was einem eigentlich leider nichts Neues mehr ist, das man aber aus seinem Alltag gern verdrängt.
Auch das Schriftbild macht einem die Lektüre nicht gerade leicht. Für meinen Seniorenbegriff eher klein und dicht gedruckt, sind die Absätze teils sehr lang. Streckenweise musste ich mich regelrecht durchkämpfen. Auch das kursiv Gedruckte war mühsam zu lesen. Hingegen lockerten Fotos und andere Bilder das Ganze auf. Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Aussagen verschiedener Personen geben der Person Liliana zusätzlich zu den Schilderungen durch ihre Schwester Cristina noch mehr Tiefe und Deutlichkeit, auch was über den (offensichtlichen) Mörder gesagt wird. Dass der auch noch Angel, Engel, heißt, mag wie ein Hohn erscheinen.
Aus verletzter Eitelkeit, eben wegen einer Zurückweisung, wurde Angel zum „Todesengel“ und das auch noch, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden – denn das nicht grauenhast ist! Müssen Frauen sich denn immer noch den Wünschen der Männer fügen? Ein Buch, das man nicht einfach verschlingen kann, sondern in kleineren Häppchen langsam sacken lassen sollte. So kann auch weniger übersehen oder -lesen werden.