Alexander Thiele zeichnet die Entwicklung nach, in der das Bundesverfassungsgericht zu einer Art “letztem Schiedsrichter” in politischen Streitfragen geworden ist. Er erklärt, dass das Gericht wesentliche Beiträge zur Stabilisierung der deutschen Demokratie geleistet habe – indem es Grundrechte,
Menschenwürde und demokratische Prinzipien sichert(e).
Gleichzeitig kritisiert Thiele, dass der…mehrAlexander Thiele zeichnet die Entwicklung nach, in der das Bundesverfassungsgericht zu einer Art “letztem Schiedsrichter” in politischen Streitfragen geworden ist. Er erklärt, dass das Gericht wesentliche Beiträge zur Stabilisierung der deutschen Demokratie geleistet habe – indem es Grundrechte, Menschenwürde und demokratische Prinzipien sichert(e).
Gleichzeitig kritisiert Thiele, dass der Einfluss des Gerichts in bestimmten Phasen den politischen Gestaltungsspielraum zu stark eingeschränkt habe, insbesondere wo das Grundgesetz keine zwingende Veranlassung dafür gab.
Er plädiert dafür, der Politik in Zukunft mehr Raum zur autonomen Entscheidungsfindung zu lassen und die Tendenz, “Karlsruhe” als Ersatz-Entscheider zu instrumentalisieren, zu überwinden.
Das Buch stellt klar, dass die Autorität des BVerfG auf seiner Funktion als “Hüter der Verfassung” beruht, aber die Gefahr besteht, dass eine Überbetonung des Gerichts zu einer automatischen “Verrechtlichung” der Politik führt und parlamentarische demokratische Entscheidungsprozesse schwächt.
Der Autor skizziert gut und verständlich eine Reihe von Urteilen, wobei mich insbesondere jene zum Wirtschaftssystem interessierten. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft und lässt sich dabei eine breite Palette an Möglichkeiten offen, um alles an neue Tatbestände anpassen zu können. Man muss hier wirklich ab und an lesen: „Die Aufgabe besteht darin, die grundsätzliche Freiheit wirtschafts- und sozialpolitischer Gestaltung, die dem Gesetzgeber gewahrt bleiben muss, mit dem Freiheitsschutz zu vereinen, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem. Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat.“ (BVerfGE7,377(400).
Dem kann ich nur zustimmen und erweiternd fragen, nach welchen Kriterien Verfassungsrichter und auch normale Richter ausgewählt werden. Nach meiner Auffassung ist auch hier ein ideologischer Durchgriff festzustellen, der Richter instrumentalisiert und gängelt.
Politik ist heute überall präsent. Sollte es nicht eine völlig neutrale Richterschaft geben und wie könnte man das sicherstellen? Ja, wie könnte man Richter prüfen auf ihre Funktion, neutral zwischen allen Stühlen zu sitzen - so wie das auch Journalisten tun sollten!
Malu Dreyer rief 2024 zum Kampf gegen die AfD auf nachdem die unwahren Aussagen über das Potsdamer Treffen verbreitet wurden. Die AfD klagte dagegen, aber ein Urteil des Landesverfassungsgerichts gab Dreyer recht. Sie habe damit nicht gegen die Neutralitätspflicht verstoßen. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wurde ebenfalls abgewiesen. Zurückgewiesen wurde die Klage hier jedoch nicht aus inhaltlichen, sondern aus formalen Gründen. DiePartei habe die falsche Klageart gewählt. Eine inhaltliche Prüfung der Neutralitätspflicht erfolgte erst gar nicht. Man sieht, das mögliche AfD Verbot scheint die nächste große Aufgabe für das BVG zu werden, da Parteien nicht gewillt sind, diese Partei mit entsprechenden Maßnahmen unnötig zu machen.
Insgesamt ein tief nachdenklich stimmendes, sehr informatives Buch, das mich weiter gebracht hat und nachwirkt.