Mit »Meine Arbeit« hat Olga Ravn DAS Buch über Mutterschaft geschrieben. Es ist umfassend, radikal, aufregend, einnehmend, erschöpfend, vielschichtig und lässt viele Lesarten zu.
Erste Lesart
Anna liefert der Autorin-Figur ein Manuskript ihrer Mutterwerdung, Mutterschaft und damit den Bauch der
Geschichte. Zerstörung, Schmerz, Orientierungslosigkeit und Verlust zentriert Ravn in ihr. Anna…mehrMit »Meine Arbeit« hat Olga Ravn DAS Buch über Mutterschaft geschrieben. Es ist umfassend, radikal, aufregend, einnehmend, erschöpfend, vielschichtig und lässt viele Lesarten zu.
Erste Lesart
Anna liefert der Autorin-Figur ein Manuskript ihrer Mutterwerdung, Mutterschaft und damit den Bauch der Geschichte. Zerstörung, Schmerz, Orientierungslosigkeit und Verlust zentriert Ravn in ihr. Anna bleibt auf Distanz, »Eine andere Frau, vollkommen anders als ich« |3, deren Mann Aksel heißt, wie der Mann der namenlosen am Buch
arbeitenden Autorinfigur, die näher kommt.
Zweite Lesart
Die Autorin-Figur ist auch schwanger, auch von Aksel, sie ist Arme und Beine der Geschichte. Permanent läuft sie ihre Reaktionen auf die Annageschichte auf und ab, hält sie, entwickelt einen Aufbau, lässt ihn los, choreographiert Textformen zueinander, findet und verwirft Geschichtsvarianten und zieht dabei Annas und ihre Erfahrungen ins Allgemeine.
Dritte Lesart
Das Autorin-Ich blickt auf den Roman und das Schreiben mit Herz, Kopf und Eingeweiden. Sie gießt Essayistisches zum Plot von Anna und zu den Reflexionen, Gedichten und Geschichten der Autorin-Figur und rahmt den Roman. Sie setzt immer wieder an, mit den Gedanken zu Mutterschaft und Kunst, mit Geschichten zu schreibenden Müttern, mit dreizehn Anfängen, mit achtundzwanzig Fortsetzungen und neun Enden.
Vierte Lesart
Körperlich fordert »Meine Arbeit« einiges ab. Ravn greift nach den Lesenden, entzieht sich selten, aber in entscheidenden Momenten. »Meine Arbeit« konfrontiert, provoziert und ist dabei nie ohne Spannung. Der Text folgt dem Erregungsniveau von Schwangerschaft und Geburt. »Meine Arbeit« lesen erschöpft, erfüllt und regt an.
Fünfte Lesart
Literarisch und intellektuell ist »Meine Arbeit« voller neuer Formen und Gedanken. Ravn bleibt nicht dabei stehen, andere als etablierte Wahrheiten des Mutterseins und des Schreibens zu finden, auch die Form ist entsprechend neu und radikal, sie erfüllt und bricht mit Konventionen. »Meine Arbeit« ist mehr als Fiktion, Autofiktion, Prosa, Lyrik und Essay. Es ist lesbare und durchdachte Postfiktion, Postautofiktion, Postprosa, Postlyrik, Postessay, mit Harmonie und Sinn.
Sechste Lesart
Rein subjektiv. Ich habe beim Lesen den Mund nicht mehr zu bekommen. Glühende Freude war die individuelle Reaktion. Zwischendurch Überforderung, der Gedanke von Überfrachtung und der Wunsch, Ravn möge mehrere Bücher über das Thema schreiben, statt alles in einem zu vereinen. Doch nach beenden der Lektüre blieb mir nichts als Zustimmung und Begeisterung, alle Ebenen und Formen gehören zusammen und müssen zusammen bleiben.
Olga Ravn kann meinetwegen von Geldautomaten, Stühlen oder Gurken schreiben, ich würde alles inhalieren. Aber erst einmal hat sie das für mich das beste Buch über weibliches Schreiben und Mutterschaft geschrieben.