Die Gedichte von Radmila Petrović sind direkt, laut, fast plauderhaft mit einer im Hintergrund bleibenden Verletzlichkeit und Schmerzen, die sich in Spannung und Wucht übertragen.
1996 ist diese energiegeladene Dichterin geboren, in Užice, Südserbien unweit der Grenze nach Bosnien. 1996, ein Jahr
nach Dayton, zwei Jahre vor dem Kosovokrieg und drei vor der Natobombardierung.
Durch Petrovićs…mehrDie Gedichte von Radmila Petrović sind direkt, laut, fast plauderhaft mit einer im Hintergrund bleibenden Verletzlichkeit und Schmerzen, die sich in Spannung und Wucht übertragen.
1996 ist diese energiegeladene Dichterin geboren, in Užice, Südserbien unweit der Grenze nach Bosnien. 1996, ein Jahr nach Dayton, zwei Jahre vor dem Kosovokrieg und drei vor der Natobombardierung.
Durch Petrovićs Gedichte fahren Traktoren, es duften Wassermelonen, Äpfel werden in der Luft geschossen, Tanten tratschen, Nachbarn kriegen alles mit. Großmütter und Großväter schauen auf ein widerspenstiges Mädchen, das leider kein Junge ist, das keine Kleider mag, aber Messer, das alle Erwartungen mit lebhafter Leidenschaft bricht. Das Patriarchat, die Engstirnigkeit und die Nach|Kriegszeiten scheinen durch die Gedichte bis in das städtische Leben Belgrads hinein, ebenso wie das Rütteln der Erzählstimme an Gendernormen, an der Normalisierung von Gewalt und der Vorgabe, wer wen wie lieben soll und welche Liebe ein teuflicher Import aus dem Westen ist. In ihrer Symbolik und Direktheit ist keine weitere Rahmung nötig, denn Petrović lässt Traditionen stolpern, erzeugt mit forschem Humor Dissonanz, die mit verzögerter Wucht nachhallt.
Ich hörte von grandiosen Auftritten dieser charismatisch-wirbelnden Frau, in Serbien, anderen ExYu-Ländern und in Österreich. Auch in Deutschland hat Petrović Potenzial, ihre Energie transportiert sich, ohne die Sprache kennen zu müssen, also schaut euch diese zart aussehende, mit tief-kräftiger Stimme dichtende Künstlerin an. Ich werde es tun.
Offensichtlich ist diese Veröffentlichung besonders wertvoll für Mišmašmenschen wie mich, eine, der die serbische Sprache nahe am Herzen ist und verschüttet zugleich. Beides nebeneinander lesen zu können, serbisch und deutsch, war ein Geschenk. Es würde mich brennend interessieren, wie sich die Gedichte lesen von Menschen ohne diesen Hintergrund, denn ich versuchte erfolglos zu ergründen, wie sich die Übersetzung für sich stehend liest. Doch dann las ich die begeisterte Rezension von Nadine Lange im Tagesspiegel und erlebte es.