Gratwanderung zwischen Koinzidenz und Kausalität
Bei diesem Fachbuch zur Medienwissenschaft handelt es sich um die für eine breitere Leserschaft aufgearbeitete Dissertation von Uwe Krüger zum Thema Meinungsmacht aus dem Jahr 2011. Krüger analysiert den Einfluss von Eliten aus Politik und
Wirtschaft auf Leitmedien und führende deutsche Journalisten. Die Ergebnisse kratzen am Selbstverständnis…mehrGratwanderung zwischen Koinzidenz und Kausalität
Bei diesem Fachbuch zur Medienwissenschaft handelt es sich um die für eine breitere Leserschaft aufgearbeitete Dissertation von Uwe Krüger zum Thema Meinungsmacht aus dem Jahr 2011. Krüger analysiert den Einfluss von Eliten aus Politik und Wirtschaft auf Leitmedien und führende deutsche Journalisten. Die Ergebnisse kratzen am Selbstverständnis freier unabhängiger Medien und sind insbesondere für die Nutzer der Medien bedeutend.
Wie ausgeprägt sind die Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und Medien? Haben sich Journalisten in politische Elitezirkel einbinden lassen? Werden politisch erwünschte Denkweisen medial durchgesetzt? Ist der notwendige Sicherheitsabstand zwischen Journalisten und Eliten unterschritten?
Autor Krüger benennt im Vorwort Beispiele für Verbindungen zwischen Politik und Medien und nimmt das zum Anlass, das Thema mit wissenschaftlichen Methoden aufzuarbeiten. Er wendet die Methode „Soziale Netzwerkanalyse“ an, um das Beziehungsgeflecht der Akteure zu untersuchen. Bei fast jedem dritten leitenden Journalisten stellt er bedenkliche Verflechtungen zu Eliten fest.
Für seine weiteren Untersuchungen pickt sich Krüger vier Journalisten heraus, die sich beruflich mit Fragen von Sicherheit, Verteidigung und Auslandseinsätzen der Bundeswehr beschäftigen. Er resümiert, dass die Argumentationen dieser (mit Eliten vernetzten) Journalisten unkritisch sind bzw. dem offiziellen Diskurs der Regierung entsprechen. (220) Aber es gilt, dass ein kausaler Zusammenhang nicht nachgewiesen werden kann.
Bei seinen weiteren Recherchen stellt Krüger fest, dass unsere Leitmedien, also unsere großen Zeitungen, über alternative Veranstaltungen (z.B. Friedenskonferenz als Alternative zur Münchener Sicherheitskonferenz) wenig bis gar nicht berichten. Insbesondere werden die Inhalte alternativer Konzepte unterschlagen. Eine kritische Reflexion der offiziellen Linie der Regierung findet in den Leitmedien nicht statt.
Wo liegen die Grenzen der Analysemöglichkeiten? Eine Koinzidenz zwischen Journalistenmeinung und Umgebungsmeinung kann unterschiedliche Gründe haben (ähnliche Interessen, ähnliche Biographie etc.); eine Kausalität kann nicht festgestellt werden. (145) Es dürfte auch schwierig sein, diese nachzuweisen. Dennoch liegen eklatante Verstöße gegen den ehernen Grundsatz vor: „Immer dabei sein – nie dazugehören“. (147)
Das Buch ist wohl strukturiert, gründlich recherchiert und sehr anspruchsvoll. Die beschriebenen Zusammenhänge bestätigen Ahnungen, die bei vielen Menschen seit längerer Zeit vorhanden sind und liefern die Grundlage für den Einheitsbrei unserer großen Medien. Eine wirksame Kontrolle der Politik durch die Leitmedien findet nicht statt. Das Buch ist sachlich aufbereitet und recht informativ. Es liefert wichtige Erkenntnisse über unserer Medienwelt und sollte von vielen Menschen gelesen werden.