Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Galilei sah den Jupiter, Galileo flog hin: Daniel Fischer berichtet über die Sondierungen einer Sonde
Júpiter, Yupiter, Giove, Zeus, Mushtarie, Tzedek: Das ist der Jupiter, der größte unter den sogenannten Planeten oder Wandelsternen. Er ist so viel größer als unsere Erde, wie eine Orange größer ist als eine Erbse. Seit Galileo Galilei im Januar 1610 den Riesenplaneten erstmals als Scheibchen im Fernrohr gesehen und die vier großen Monde entdeckt hatte, hat Jupiter die Astronomen fasziniert. Heute wissen wir, daß er siebzig Prozent der Masse aller Planeten in sich vereinigt. Bislang wurden sechzehn Monde und ein ungewöhnliches Ringsystem entdeckt. Sein Mond Io ist der vulkanisch aktivste Himmelskörper im ganzen Sonnensystem, und unter der Eiskruste des Mondes Europa gibt es vielleicht flüssiges Wasser, die Voraussetzung für die Entstehung von Leben.
Schon 1974, Pioneer 10 und 11 hatten gerade als erste Sonden den Jupiter passiert, war für die Nasa klar, daß man in den achtziger Jahren eine Mission starten würde, bei der eine Instrumentenkapsel in die Jupiteratmosphäre gebracht werden und eine andere den Planeten längere Zeit umkreisen und seine Monde und Magnetosphäre untersuchen sollte. Daniel Fischer beschreibt die "Mission Jupiter" der Raumsonde Galileo, das bis dato größte und teuerste Unternehmen seiner Art.
Das Unternehmen Galileo war eine einzige Reihung von Rückschlägen. Zuerst verzögerte sich die Entwicklung des Space Shuttle, das die gesamten Transportaufgaben der Raumfahrt übernehmen sollte, dann geriet das Projekt auf die Abschußliste der Reagan-Regierung, die mehr vom Weltraumkrieg als von der Planetenforschung hielt. Im Januar 1986 - vier Monate vor dem geplanten Start Galileos - legte die Challenger-Katastrophe das Raumfährenprogramm für zweieinhalb Jahre lahm. Als eine der ersten Konsequenzen aus dem Unglück wurde der Transport von Raketenstufen, die flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff verbrennen, durch die Raumfähren unterbunden. Damit hatte Galileo seine für den Schuß zum Jupiter erforderliche Antriebsstufe verloren.
Als Ausweg blieb nur die Verwendung einer schwächeren Raketenstufe mit Feststoffantrieb. Der geringere Schub mußte durch einen komplizierten Flugplan kompensiert werden: Statt direkt zum Jupiter zu fliegen, mußte Galileo durch Vorbeiflüge an der Venus und zweimal an der Erde vorbei beschleunigt werden. Kurz vor dem Start strengten mehrere amerikanische Organisationen eine Klage auf Startverbot der mit Radioisotopenbatterien bestückten Sonde an, die erst während des Countdowns abgeschmettert wurde. Fischer erläutert ausführlich, warum das Weiße Haus einen Raketenstart mit elf Kilogramm Plutonium-238-Dioxyd an Bord für unbedenklich hält. Dieser Aspekt der Raumfahrt wird von anderen Autoren meist nur beiläufig erwähnt.
Trotz eines Computerfehlers in der Raumfähre und eines Erdbebens in San Francisco, bei dem ein Kontrollzentrum beschädigt wurde, konnte Galileo am 18. Oktober 1989 starten - mit über sieben Jahren Verspätung. Die neue Flugbahn brachte einige neue Erkenntnisse über die Gewitteraktivität und Luftfeuchtigkeit der Venus und über die Zusammensetzung der Oberfläche des Erdmondes. Beim ersten Vorbeiflug an der Erde konnte eine weit über das chemische Gleichgewicht reichende Anreicherung von Methan in der Atmosphäre festgestellt werden, was auf Leben hinweist, und eine engbandige, amplitudenmodulierte Radiostrahlung deutet sogar auf Intelligenz.
Die Kette der Rückschläge setzte sich fort, als sich die Hauptantenne Galileos nicht wie geplant entfalten ließ. Die Mission mußte fortan auf den erheblich geringeren Datenstrom angepaßt werden, den eine Hilfsantenne zu liefern vermochte. Dies verminderte vor allem die Anzahl der übertragenen Bilder. Auf dem Weg zum Jupiter besuchte Galileo die beiden Planetoiden Gaspra und Ida, die sich als irreguläre Körper zeigten, die großenteils aus nur schwach durch ihre eigene Schwerkraft zusammengehaltenen Gesteinstrümmern bestehen.
1993 stellte sich heraus, daß Fragmente des Kometen P/Shoemaker-Levy 9 auf den Jupiter stürzen würden. Galileo war der einzige direkte "Augenzeuge" dieser Einschläge, die im Juli 1994 auf der erdabgewandten Seite des Planeten stattfanden. Im Dezember 1995 erreichte Galileo sein Ziel und übertrug die Daten seiner Atmosphärenkapsel, die, wie sich später herausstellte, in ein extrem warmes und trockenes Gebiet, einen sogenannten Hotspot, gestürzt war.
In den folgenden zwei Jahren führte die Sonde ihre Primärmission fort: Sie tastete die Atmosphäre des Jupiter regelmäßig mit ihren unterschiedlichen Sensoren ab, untersuchte die Magnetosphäre des Planeten und ihre Wechselwirkungen mit den vier galileischen Monden und kam vor allem diesen Trabanten selbst immer wieder nahe. Heute ist deutlich, daß Io, der innerste der vier großen Monde, vulkanisch hyperaktiv ist, Europa, der zweitinnerste, möglicherweise noch heute aktiv ist, sicher aber in der Vergangenheit aktiv war, daß Ganymed in einer fernen Epoche aktiv war und Callisto, der äußerste der galileischen Monde, seit seiner Entstehung inaktiv war. Io hat einen metallischen Kern und einen felsigen Mantel, ebenso Europa, die zudem noch eine hundert bis zweihundert Kilometer dicke Eisschicht besitzt, Ganymed besteht aus einem acht- bis neunhundert Kilometer dicken Eismantel auf einem Eisen- und Felskern, und Callisto scheint eine undifferenzierte Eiskugel zu sein.
Ende 1997 wurde die Primärmission Galileos für beendet erklärt, da die Sonde aber noch in einem guten Zustand ist, läuft bis Ende 1999 eine Anschlußmission, die sich vor allem auf den Mond Europa konzentriert, auf dem nach Eisvulkanen und nach Anzeichen für flüssiges Wasser gesucht werden soll. Fischer hielt es für richtig, sein Buch jetzt schon herauszubringen, obwohl noch lange nicht alle Daten vorliegen. Er ist so einer der ersten, die über Galileo publizieren. Während diese Zeilen geschrieben wurden, erschien in der Presse die Meldung, daß Ganymed vor einer Milliarde Jahren vermutlich von Wasser bedeckt war. Schade, daß Fischer davon nicht mehr berichten konnte.
"Mission Jupiter" faßt leicht verständlich den gegenwärtigen Wissensstand über den Königsplaneten und seine Trabanten zusammen; auf mathematische Formeln hat der Autor verzichtet. HARTMUT HÄNSEL
Daniel Fischer: "Mission Jupiter". Die spektakuläre Reise der Raumsonde Galileo. Birkhäuser Verlag, Basel 1998. 269 S., Abb., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main