Tausend Sterne für Virginia Woolf - - einen für diese Übersetzung
Ich finde die Übersetzung von Melanie Walz wirklich schlecht und möchte an einer kurzen Passage zeigen und erläutern, warum.
Doch vorab noch ein paar sehr subjektiv gefärbte Worte zum Werk selber:
Es das schönste Buch, das
ich in diesem Jahr gelesen habe. Nach Monaten noch hallt es in mir nach und am Ende hatte ich…mehrTausend Sterne für Virginia Woolf - - einen für diese Übersetzung
Ich finde die Übersetzung von Melanie Walz wirklich schlecht und möchte an einer kurzen Passage zeigen und erläutern, warum.
Doch vorab noch ein paar sehr subjektiv gefärbte Worte zum Werk selber:
Es das schönste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Nach Monaten noch hallt es in mir nach und am Ende hatte ich tatsächlich richtig weinen müssen. So richtig existenzielles Geheul aus Leid und Freude am Dasein meine ich. (wahrscheinlich komme ich in die Wechseljahre (O: )
Genug also, um das Buch nach der Übersetzung von Hans-Christian Oeser im Original kennenlernen zu wollen.
Weil mein Englisch nicht so dolle ist, habe ich mich mit Wörterbuch und Reclambüchlein an die Arbeit gemacht und kam dann auf die Idee, Melanie Walz' Übersetzung mit der von Oeser zu vergleichen.
Gleich auf der ersten Seite fehlten mir die Krähen, die sowohl im Original als auch in anderen Übersetzungen steigen und fallen, und auch im Folgenden begegneten mir immer wieder Ungenauigkeiten.
Ich habe diese Übersetzung endgültig beiseite gelegt, nachdem ich folgende Passage gelesen hatte, in der Mrs. Dalloway die Einkaufsstraße entlanggeht, an einem Geschäft für Lederwaren vorbeikommt und an ihre Tochter zu denken beginnt:
“Gloves and shoes; she had a passion for gloves; but her own daughter, her Elizabeth, cared not a straw for either of them.
Not a straw, she thought, going up on Bond Street to a shop where they kept flowers for her when she gave a party. Elizabeth really cared for her dog most of all. The whole house this morning smelt of tar. Still, better poor Grizzle than Miss Kilman; better distemper and tar and all the rest of it than sitting mewed in a stuffy bedroom with a prayer book.“
Walz macht daraus:
“Handschuhe und Schuhe; sie liebte Handschuhe; aber ihre Tochter Elizabeth konnte mit beidem nichts anfangen.
Bloß kein Stroh, dachte sie, als sie die Bond Street entlang zu einem Geschäft ging, in dem die Blumen für sie zurechtgemacht wurden wenn sie eine Party gab. Was Elizabeth wirklich am Herzen lag, war ihr Hund. Das ganze Haus roch an diesem Morgen nach Teer. Immer noch lieber der arme Grizzle als Miss Kilman; lieber Übellaunigkeit und Teer und alles Übrige, als mit einem Gebetbuch in ein stickiges Schlafzimmer eingesperrt zu werden.“
Dazu:
- Elizabeths pietistische Abneigung gegen Putz wird nicht so deutlich, wenn man sagt, jemand könne “damit nichts anfangen“. “Sie gibt keinen Pfifferling darauf“ ist deutlich stärker und zudem die deutsche Entsprechung der Redewendung “to care not a straw“
- “Not a straw“ dann beim zweiten Mal wortwörtlich zu übersetzen, ergibt in meinen Augen gar keinen Sinn
- “distemper“, hier - im Grunde nicht falsch - mit “Übellaunigkeit“ übersetzt, ist auch die englische Bezeichnung für die Krankheit Staupe, die früher mit Teer behandelt wurde.
- zuletzt “werden“ weder Elizabeth noch Miss Kilman in ein Schlafzimmer eingesperrt, sondern ziehen sich höchst freiwillig dorthin zurück. Mrs. Dalloways zusätzlich abwertendes “mewed“, lässt Walz gleich ganz unter den Tisch fallen.
Bei Oeser klingt das so:
“Handschuhe und Schuhe; für Handschuhe hatte sie eine wahre Leidenschaft; doch ihre eigene Tochter, ihre Elizabeth, gab auf beides keinen Pfifferling.
Keinen Pfifferling, dachte sie, als sie die Bond Street hinaufging zu einem Geschäft, wo man, wenn sie eine Gesellschaft gab, Blumen für sie zurücklegte. Eigentlich machte Elizabeth sich am meisten aus ihrem Hund. Heute morgen hatte das ganze Haus nach Teer gerochen. Immerhin, lieber der arme Grizzle als Miss Kilman. Lieber Staupe und Teer und alles andere, als sich murrend mit einem Gebetbuch in ein stickigen Schlafzimmer einzuschließen.“
Von der wahren Leidenschaft über die Gesellschaft und die zurückgelegten Blumen bis hin zur Staupe ist dies eine inhaltlich korrekte Übersetzung und im Wortlaut so dicht am Original wie es m. E. wünschenswert ist. UND es ist schönes, keinesfalls angestaubt wirkendes Deutsch, sondern sowohl dem 100 Jahre alten Roman angemessen als auch für die heutige Leserin sehr gut verständlich, finde ich.
Für meinen Geschmack nimmt Walz sich mit Weglassungen, Verkürzungen, eigenwilligen Interpretationen und Ungenauigkeiten allzu viele Freiheiten gegenüber dem Werk heraus. Das ist oft sinnentstellend und mitunter sogar sinnentleerend.
Wer also Lust auf etwas hat, das dem Original gerecht wird, greife zu einer der Ausgaben aus dem Reclam-Verlag mit der Übersetzung von Hans-Christian Oeser.