Jedem politisch interessierten Menschen in Österreich wird jener Tag im Mai 2019 in lebendiger Erinnerung bleiben, als es plötzlich hieß: Strache will die Nation verscherbeln. Durch investigative Journalisten der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, führte die "Ibiza-Affäre" zum Bruch der Koalition
von Türkis-Blau. Bereits kurz danach veröffentlichten die Ostermayer-Journalisten der SZ ein Buch zu…mehrJedem politisch interessierten Menschen in Österreich wird jener Tag im Mai 2019 in lebendiger Erinnerung bleiben, als es plötzlich hieß: Strache will die Nation verscherbeln. Durch investigative Journalisten der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, führte die "Ibiza-Affäre" zum Bruch der Koalition von Türkis-Blau. Bereits kurz danach veröffentlichten die Ostermayer-Journalisten der SZ ein Buch zu den Hintergründen. Nun ist aber jener Mann an der Reihe, seine Version der Geschichte zu erzählen, der hinter dem kompromittierenden Video steckt: Julian Hessenthaler.
Schon kurz nach der Aufdeckung des Skandals wurde er zu einem der meistgesuchten Österreicher, konnte sich aber noch einige Zeit in Deckung halten, bis er schließlich aufgespürt und rund eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft saß. In "Nach Ibiza" lässt uns Hessenthaler, der Sicherheits-Consultant, wissen, wie es aus seiner Sicht zu dem Video gekommen ist, warum es rund zwei Jahre dauerte bis es veröffentlicht wurde und wie er die Jagd auf sich erlebte. Hessenthaler ist kein Schreiberling, dass merkt man bereits an den ersten paar Seiten - die Sprache wirkt teils holprig, teils sehr umgangssprachlich, aber das macht das Gelesene noch authentischer. Hessenthaler gibt auch Einblick in seine Herkunft und wie es ihm vor seiner Sicherheits-Karriere ergangen ist, was seinen weiteren Werdegang erklärt.
Trotzdem wundert man sich häufig über das was man liest. Einerseits schien Hessenthaler, nicht nur bei der Erstellung und Weitergabe des Videos, oft sehr dilettantisch und naiv vorzugehen, andererseits gelang es ihm trotzdem, Vertrauen zu Schlüsselpersonen aufzubauen. Oft schwingt auch ein Stückchen Selbstmitleid mit, obwohl er häufig doch ziemlich viel Glück hatte, betrachtet man die Blauäugigkeit, die ausführlich geschildert wird. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich ihm einiges nicht abnehme, was auch daran liegt, dass Hessenthalers Argumentation teilweise unschlüssig oder wenig glaubhaft ist. Nichtsdestotrotz ist es spannend mitzuverfolgen, wie ihm das Video gelungen ist, wie seine Gefühlslage war, es so lange unter Verschluss zu halten, wie er es verkraftete zum Gejagten und Beschuldigten zu werden. Besonders bemerkenswert ist, wie die österreichische Justiz bzw. Exekutive versuchte, ihn zum Schuldigen zu machen, das Kopfschütteln hört nicht auf, wie Hessenthaler den Prozess beschreibt, der gegen ihn geführt wurde und ihn schließlich verurteilte für Delikte, die er nach seinen Aussagen nicht begangen hat. Und tatsächlich sind die geschilderten Widersprüche im Verfahren unfassbar, auch wenn klar ist, dass hier nur eine Seite erzählt wird.
Wie erwähnt, fand ich es oft schwer, Julian Hessenthaler alles abzukaufen, so wie er es in seinen Worten erzählt. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass nur ein Bruchteil des Erzählten stimmt, was ganz sicher der Fall ist, lässt es einen schier sprachlos zurück, denn es führt einem vor Augen, was alles schief läuft in unserem Land. Man wundert sich nicht mehr, weshalb Österreich in den Korruptionsrankings immer weiter nach oben gereiht wird, worüber man sich allerdings sehr wundern darf nach dem Gelesenen, das zwar nicht allzu viele neue Facetten auf die Ibiza-Affäre wirft, aber doch die Gefühlslage des Drahtziehers gekonnt wiedergibt, ist die Tatsache, dass nach all den korrupten Vorhaben, die uns die FPÖ (aber auch die ÖVP) vor nur so kurzer Zeit eingebracht haben, sich diese über einen solchen Wähler:innenzuspruch freuen dürfen. Die Welt ist wohl aus den Fugen geraten. Hessenthaler schließt jedenfalls mit dem inbrünstigen Plädoyer, die Demokratie niemals aufzugeben, sie zu schützen. Hoffen wir, dass viele Menschen sich auf dieses Ansinnen berufen.