Englische Bücher haben oft einen ganz bestimmten Tonfall, eine eloquente Distanz, die seltsam losgelöst von den eigenen Gefühlen der Protagonist*innen erscheint. Dadurch entsteht die Fähigkeit, sich selbst aus der Ferne zu betrachten und das eigene Verhalten genau zu sezieren.
Und so untersucht
Helen sich selbst, taucht ein in ihre psychologischen Muster, ist sich nicht zu schade, zu…mehrEnglische Bücher haben oft einen ganz bestimmten Tonfall, eine eloquente Distanz, die seltsam losgelöst von den eigenen Gefühlen der Protagonist*innen erscheint. Dadurch entsteht die Fähigkeit, sich selbst aus der Ferne zu betrachten und das eigene Verhalten genau zu sezieren.
Und so untersucht Helen sich selbst, taucht ein in ihre psychologischen Muster, ist sich nicht zu schade, zu konstatieren, dass es doch schöner wäre, wenn sie sich in eine andere Richtung entwickelt hätte, nachdem der Horror der initialen, traumatische Erfahrung verebbt.
Stimmt. Sympathisch ist sie nicht. Das ist keine der Figuren. Ich konnte keine der Entscheidungen nachvollziehen und viele der Wendungen sind in meinen Augen so seltsam, dass ich ihre Relevanz für den Plot einfach nicht verstehe.
Ein Thriller ist Ocean nicht. Es ist Psychostudie, Familienstück, Kammerspiel, Experiment. Erst nach der Hälfte des Buchs kommen wir aufs Meer. Die Geschichte ist komplex, der Stil ziemlich literarisch.
Ein paar lose Enden bleiben jedoch liegen. Der Roman spielt mit dem Thema der verschiedenen Realitäten, doch diese Idee wird nicht konsequent zu Ende geführt, da gerade in der zweiten Romanhälfte der Actionanteil zunimmt und die psychologischen Projektionen in den Hintergrund geraten.
Trotzdem gibt es kein Entkommen. Sich selbst nicht und der Familie nicht. Wir verfolgen, wie hinter dem delikaten sozialen Gefüge das Unheil lauert. Hier widerspreche ich vehement. Vieles lässt sich verändern. Nur schafft sie es eben nicht, auch wenn sie ihre Hoffnungen in das Schiff gesetzt hatte, mit dem die Familie in See sticht. Aber, wie sie selbst beobachtet, trotz der Bewegung bleibt die Position, wie in einer kardanischen Aufhängung an Bord, die gleiche.
Und so erwarten wir den Showdown.
Polly Clark spielt mit popkulturellen Referenzen, Walter Mitty läuft ebenso durchs Bild wie Gleis 9 3/4. Die Sprache ist cool, englisch und eloquent, die Einsichten in die Köpfe der Figuren detailliert. Aber am Ende bliebt ich etwas ratlos zurück. Die zwei Teile des Buches fügen sich nicht richtig zusammen, etwas fehlt mir die ganze Zeit. Vielleicht Stringenz, vielleicht Verwundbarkeit, etwas zum Anknüpfen. Sind denn hier alle Soziopathen?
Ich empfehle das Buch allen, die gerne segeln, das Setting stimmt, die Aufbruchsstimmung auch.