Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.
In Ketten liegt der Intellekt. Es herrscht "der bedürftige Mensch", sich klammernd ans Bretterwerk morscher Begriffe, auch und zumal in Österreich. Doch gerade dort treten frappierenderweise immer wieder die Gegner aller Vorsorgementalität hervor. Wuchtig hämmern sie gegen die Notbehelfe der kriecherischen Vernunft. "Sind Sie bereit, sich zu fragen, was geeignet wäre, die Zauberworte zu entzaubern, das Fraglose in Frage zu stellen?", fragt jetzt also der Meister-Essayist Robert Menasse. Ob Kultur, Religion oder Arbeit, die Banalisierung habe alle Zentralbegriffe der Gesellschaft eingeholt. Es komme aber vielmehr darauf an, sie lebendig zu halten, zu zertrümmern und neu zusammenzusetzen. "Von diesen Intuitionen aus", so Nietzsche, "führt kein regelmäßiger Weg in das Land der gespenstischen Schemata, der Abstraktionen." Oder doch? Vielleicht nur eine andere Art von Weg: eine Feuerwehrzufahrt zu den Ideen, um zu retten, was zu retten ist? Man nehme nur die Demokratie, beschädigt vor aller Augen, so Menasse, nicht nur im Krieg gegen den Terror, auch bei der Wahl eines bekennenden Rechtsextremen zum dritten Nationalratspräsidenten Österreichs durch gute Demokraten, bloß weil das Gewohnheitsrecht es so vorsieht, oder in der Schaffung einer Europäischen Union, in der eine Kommission, die niemand gewählt hat, Gesetze formuliert. Klug, aufrührerisch, nervtötend, selbstgefällig, essentiell - hier prügelt einer ein auf jedes denkfaule Abnicken des Status quo. Dass dabei manche altlinke Position zu Gehör kommt (Selbstsakralisierung des Kapitalismus), dass manche Polemiken weit übers Ziel hinausschießen, schmälert das Verdienst des Autors nicht. Er erinnert daran, dass Kultur mehr ist als Unterhaltung, nämlich Diskurs, Reflexion, Arbeit an den Begriffen - und so Politik und Wirtschaft systemisch überlegen. (Robert Menasse: "Permanente Revolution der Begriffe". Vorträge zur Kritik der Abklärung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 128 S., br., 9,- [Euro].) oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH