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Wer 1968, im Erscheinungsjahr von Patrick Modianos "Place de l'Étoile", noch nicht geboren war und seinen nun erstmals übersetzten Debütroman aufschlägt, dem wird er aus den Händen fallen: Bisher kannte er von Modiano Romane wie "Dora Bruder" oder "Ein Stammbaum", in denen der Autor mit lakonischer Sprache die Vergangenheit rekonstruiert. Der Erstling des damals Zweiundzwanzigjährigen ist das Gegenteil: ein sprachlicher Rausch, eine pfeffrige Provokation voller Tabubrüche. Erzählt wird die Geschichte - wenn der Begriff hier trifft - von Raphaël Schlemilovitch, Sohn aus gutem Hause, der an mehreren Zeiten und Orten zugleich ist, eine Ahasver-Gestalt, die Europa und einen Teil des Nahen Ostens durchquert; Hauptstrang ist der Auftrag eines zwielichtigen Vicomte, ehrbare Französinnen als "exzellente Huren" zu verscherbeln. Zentral ist die Frage nach jüdischer Identität beziehungsweise nach ihrem Negativ. Modiano erforscht die Abgründe Frankreichs, antisemitische Klischees, verkörpert durch Intellektuelle, Provinznotabeln und - ironisch gebrochen - durch den Helden. Auch die ungeschönte Darstellung des besetzten Paris war 1968 skandalträchtig. Die literarischen Einflüsse schlüsselt Elisabeth Edl im Nachwort auf. In der Verwurstung des Antisemiten Céline verbinden sich die Hauptmotive: Doktor Bardamu, der Held von "Reise ans Ende der Nacht", taucht als Figur auf. Anders als Célines Erstling kommt "Place de l'Étoile" über das Delirium jedoch kaum hinaus. So witzig manche Passage ist: Es ist ein Gehversuch, dem Modiano-Verehrer teuer, weil zentrale Stichworte des Werks erstmals fallen; die anderen Leser seien eher gewarnt. (Patrick Modiano:"Place de l'Étoile". Roman. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Elisabeth Edl. Hanser Verlag, München 2010. 192 S., geb., 17,90 [Euro].) nibe
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
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