Schwarz-Weiss Denken kennzeichnet heute das Vorgehen vieler Museen bei uns in Europa: Opfer sind immer Menschen aus Afrika, schuld sind immer die Weißen aus dem Westen. Das aber wird der geschichtlichen Komplexität nicht gerecht. Notwendig ist eine differenzierte Analyse, dessen Lücke mit diesem
Buch geschlossen wird.
„Untersucht wird, wie die Völkerkundemuseen Hamburg, Berlin, Leipzig und…mehrSchwarz-Weiss Denken kennzeichnet heute das Vorgehen vieler Museen bei uns in Europa: Opfer sind immer Menschen aus Afrika, schuld sind immer die Weißen aus dem Westen. Das aber wird der geschichtlichen Komplexität nicht gerecht. Notwendig ist eine differenzierte Analyse, dessen Lücke mit diesem Buch geschlossen wird.
„Untersucht wird, wie die Völkerkundemuseen Hamburg, Berlin, Leipzig und Wien ihr koloniales Erbe aufarbeiten und welche Geschichten sie dabei ihren Besuchern erzählen.“ Zudem fließen Erkenntnisse ein aus den gezeigten Kunst-Werken auf der Biennale in Venedig, wo Künstler die koloniale Problematik auf sich wirken ließen.
All das hat Rückwirkungen auch auf die Politik, deren Handlungen heute mit erheblichen monetären Folgen für uns alle klar werden. Dabei greift das Buch zurück in die Anfänge der Kolonialpolitik unter Bismarck, deren wesentliches Ziel damals die Bekämpfung der Sklaverei war. Bismarck war zudem kein Freund der Kolonien, man machte es damals mehr oder weniger, um Privat- bzw. Geschäftsleute in Afrika zu schützen und wohl auch weil bedeutende europäische Staaten, allen voran England, Kolonien hatten.
Zwischen christlich-humanistisch und machtpolitisch beseelten Kolonialisten gab es einen gemeinsamen Nenner: Die Sklaverei galt als Schande der Menschheitsgeschlechts.“ Es gab in D damals eine Antisklaverei-Lotterie, an der alle teilnahmen, vom Arbeiter bis zum Fabrikbesitzer. Deutsche waren mithin Täter und Wohltäter. „Und Afrikaner nach heutigen Maßstäben Begünstigte wie Opfer - und als Sklavinnen oder Kollaborateure selbst Täter.“
Hat also der weiße Mann eine Alleinschuld oder nicht? Wenn es nach den Museen geht lautet die Antwort: ja. Die realistische Sichtweise dieses Buches zeichnet jedoch ein anderes Bild. „Es ist ein Plädoyer gegen die moralische Hybris, mit der die westlichen Gesellschaften auf ihre eigene Geschichte blicken.“
Mit Sartre und Franz Fanon als radikalen Sozialisten begann in den 50ern eine Sichtweise, die vermeintlich Unterdrückte in Afrika von Schuld freisprach. Die Armut in Afrika sei ein Produkt des Westens, der Reichtum im Westen sei auf dem Rücken von Sklaven und der Ausbeutung von Rohstoffen erzielt worden. Der neue Mensch könne nicht als fratzenhafte und obszöne Nachahmung Europas gelingen, sondern nur über eine andere Stufe des Humanen, aus Afrika herkommend, dem Hort alles Guten.
„Was Sartre und Fanon bei all dem verschweigen, war die vorkoloniale Geschichte Algeriens…Über Jahrhunderte hinweg überfielen muslimische Korsaren aus Algier, also staatlich legitimierte Piraten, europäische Schiffe, raubten sie aus und verkauften oder versklavten ihre Besatzungen.“ Der postkoloniale Diskurs von der Alleinschuld des Westens ist aber übermächtig aktiv, auch heute noch, er leugnet, beschreibt und verharmlost in vielen Bereichen. Sie wollen tatsächlich Geschichte nachträglich verändern, zu Ungunsten des Westens und in mächtiger Bußhaltung in Richtung alten Kolonien. „Die Konsequenzen hieraus sind unausweichlich: Aus der Suche nach Wahrheit wird die Verfertigung einer gewünschten gesellschaftlichen Erzählung.“ Dabei geben vor allem Literaturwissenschaftler den Ton an! Das hochgesteckte Ziel: „historische Gerechtigkeit.“
Das Völkerkundemuseum Grassi in Leipzig sieht sich diesem Ziel verpflichtet: „Wir begreifen uns nicht in erster Linie als Leipziger oder deutsches Museum, sondern als Partner in einem internationalen Netzwerk der Weltkulturen.“ Dies sagt die Direktorin, Leontine Meijer- van Mensch, eine bekennende Feministin. Intellektuell und moralisch wird so eine globale, über-nationale Koordinationsstelle geschaffen, um Menschen vor Ort mit der gefundenen Erziehungsrichtung zu beglücken. Das Konzept dabei: ein verflüssigtes Museum, in dem Wahrheit nicht mehr möglich ist, sondern nur vielfältige, subjektive Sichtweisen, die jeder in eigener Vorstellungskraft interpretieren kann. „Aus Stätten der Wissensvermittlung werden Orte der politischen Aushandlung des Morgen.“ Dabei sollen alle gleichberechtigt mitreden, wirklich alle, also auch Atmosphäre, Ozean und das Eis. Schlaue Intellektuelle reden von der Ontologie des flüchtigen Museums.
Man erschrickt ob solcher postkolonialen Fantasien und fragt sich, wohin die Museums-Wissenschaft mäandert. Ich werde solche Museen in Zukunft kritischer besuchen und finde in diesem Buch hervorragende, sachliche Informationen dafür.
Folgendes Buch werde ich wieder lesen: Weltgeschichte der Sklaverei von Egon Flaig.