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Einblicke in die Psychologie der Vermögenselite
Wie wird man Multimillionär? Einer der in diesem Buch befragten Superreichen hatte sich von einer Fengshui-Beraterin eine Meditationsecke einrichten lassen, in der er täglich für Reichtum betete. In der Regel haben die interviewten Selfmade-Millionäre ihren Aufstieg durch harte unternehmerische Arbeit geschafft und sich auch durch Krisen nicht aus der Bahn werfen lassen. Überwiegend haben sie eine sehr robuste psychische Konstitution und gehen gerne Risiken ein.
Es ist erstaunlich, wie wenig bislang über die sehr Reichen in Deutschland bekannt ist. Über Armut wird viel geforscht, dagegen gibt es nur eine kleine wissenschaftliche Literatur, die sich mit den Superreichen beschäftigt. Einzelne Namen und Listen von Milliardären und Multimillionären sind bekannt. Doch es fehlen systematische Untersuchungen, die Werdegänge, Einstellungen und Erfolgsmuster erklären. Eine Umfrage des Potsdamer Soziologen Wolfgang Lauterbach und zweier DIW-Forscher unter 130 Millionärshaushalten ergab, dass 40 Prozent eine Unternehmertätigkeit als Hauptgrund ihres Vermögens nennen, 35 Prozent nannten Erbschaften oder Schenkungen. Die weiter gehende Forschung ist schwierig. Gerade die Superreichen sind eher verschlossen. Über Geld spricht man nicht.
Nun erlaubt eine Dissertation erstmals einen Einblick in die Werdegänge und die Psychologie einer Reihe von Superreichen. Die Studie von Rainer Zitelmann, betreut vom Reichtumsforscher Lauterbach an der Universität Potsdam, basiert auf 45 Interviews mit Menschen, die mindestens zwei- bis dreistellige Millionenvermögen besitzen, einige sind sogar Milliardäre. Der Autor Zitelmann, ursprünglich Historiker, kann selbst auf einen bewegten Lebens- und Berufsweg zurückblicken: Er war streitbarer Journalist und Lektor, ging vor einigen Jahren in die Immobilienbranche und machte dort ein Millionenvermögen. Das hat ihm den Zugang zu manchem Hochvermögenden erleichtert.
Die Befragten sind allesamt Selfmade-Millionäre, keine Erben, und stammen aus der Mittelschicht. Was aber auffällt: Die Mehrheit - mehr als 60 Prozent - kommt aus Familien, in denen schon der Vater als (meist kleinerer oder mittlerer) Unternehmer oder Selbständiger arbeitete. In der deutschen Bevölkerung insgesamt sind es nur sechs Prozent Unternehmer und Selbständige. Der Vater des einen Superreichen hatte eine Metzgerei, der andere ein Stahlwerk, der dritte ein Gartenbedarfsunternehmen, mehrere waren Landwirte. Schon in der Jugend lernten die Söhne (unter den Befragten ist eine einzige Frau) unternehmerisches Denken. Nur eine Minderheit der späteren Selfmade-Millionäre stammt aus Angestellten- oder Arbeiterfamilien.
Anders als die Spitzenmanager in Großkonzernen, die laut dem Soziologen Michael Hartmann oft aus großbürgerlichen Familien stammen und sich oft durch einen speziellen Habitus und Umgangscode auszeichnen, sind viele Selfmade-Millionäre eher hemdsärmelig. Auch ihre Sprache ist wenig geschliffen, wie die Interviews zeigen. Viele Sätze der (anonymisierten) Superreichen sind eher abgehacktes Gestammel, kein Lesevergnügen, aber aufschlussreich.
Ihre schulischen oder universitären Erfolge waren meist eher mittelmäßig. Einige haben nicht mal Abitur. Wichtiger als das, was an der Uni gelernt wurde, sei implizites Lernen gewesen, betont Zitelmann. Viele waren in ihrer Jugend ambitionierte Sportler, trainierten für Wettbewerbe als Leichtathleten, Skifahrer, Kunstreiter oder Schwimmer. Im Sport lernt man Zähigkeit, Disziplin, Ausdauer und Wettbewerbsdenken, das seien Tugenden, die auch Unternehmer voranbringen. Zudem hatten viele schon als Schüler oder Studenten selbst Geld verdient. Aber nicht mit typischen Studentenjobs, etwa als Kellner, sondern mit eigenen Ideen, als Unternehmer. Zitelmann betont das Verkaufstalent der Millionäre. Der eine verkaufte Kosmetik, der andere Autowaschanlagen, einer bastelte Radios, ein anderer vertrieb getunte Mofas. Das brachte erstaunlich viel Geld. Einer kam mit einem Vertrieb für Finanzprodukte gar auf ein sechsstelliges Jahreseinkommen - als Student.
Für die Mehrheit stand es außer Frage, dass sie sich selbständig machten. Eine Minderheit machte zuerst Karriere in einem Unternehmen, doch nicht wenige eckten an und hatten Probleme, sich Vorgesetzten unterzuordnen. Schon Joseph Schumpeter hat den Unternehmer als Nonkonformisten beschrieben, der sich nicht gerne Regeln unterwirft. Der Unternehmer schwimme oft gegen den Strom. Wie in populären Reichtumsratgebern oft beschrieben, spielt das Setzen von Zielen eine wichtige Rolle. Viele Millionäre schreiben detaillierte Pläne auf, die motivieren und disziplinieren.
Der besondere Blickwinkel des Buchs zeigt sich im Titel über die "Psychologie der Superreichen". Zitelmann verbindet Unternehmer- und Reichtumsforschung mit der Frage nach psychischen Dispositionen. Dafür hat er die Interviewten den "Big Five"-Persönlichkeitstest machen lassen, der in der Psychologie weitverbreitet ist. Die Ergebnisse bestätigen Forschungsresultate zu Selbständigen: Die Selfmade-Millionäre haben überwiegend ein großes Selbstvertrauen, sie sind ausgesprochene Optimisten - manche mit Hang zum Überoptimismus -, überwiegend sehr konfliktbereit und offen für neue Erfahrungen. Eine stabile Persönlichkeit zeigt sich in ihrem Umgang mit Rückschlägen und Krisen. Selbst wenn Millionen verlorengingen oder gar Insolvenz drohte, versuchten sie, ruhig zu bleiben und Wege zur Überwindung der Krise zu finden.
Ausführlich behandelt Zitelmann ihre Risikoneigung und Entscheidungsfindung. Viele zeichnen sich durch Wagemut aus - vor allem in jungen Jahren, später zügeln sie aber ihre Risikoneigung. Angelehnt an Fragestellungen der Verhaltensökonomik wird untersucht, ob die Millionäre ihre unternehmerischen Entscheidungen eher analytisch oder "aus dem Bauch" heraus fällen. Das Ergebnis: Intuition und Erfahrung sind für viele Entscheidungen sehr wichtig. Auch hier gibt es Unterschiede zur Managerkaste, die eher nach Kennzahlen entscheidet.
PHILIP PLICKERT
Rainer Zitelmann: Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite. Finanzbuch Verlag, München 2017, 430 Seiten, 34,99 Euro.
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