Mexikanische Einblicke
In „Reservoir Bitches“ blickt Dahlia de la Cerda auf Mexiko, auf den dortigen Machismo und auf die Frauen von Mexiko. Es sind Erzählungen, andererseits wieder sind es keine Erzählungen, denn diese Erzählungen greifen teilweise ineinander ein. Charaktere kehren wieder,
verbinden manche Erzählungen und machen dadurch die Erzählungen romanhafter, die Erzählungen verdichten…mehrMexikanische Einblicke
In „Reservoir Bitches“ blickt Dahlia de la Cerda auf Mexiko, auf den dortigen Machismo und auf die Frauen von Mexiko. Es sind Erzählungen, andererseits wieder sind es keine Erzählungen, denn diese Erzählungen greifen teilweise ineinander ein. Charaktere kehren wieder, verbinden manche Erzählungen und machen dadurch die Erzählungen romanhafter, die Erzählungen verdichten sich in Richtung eines Episodenromans. Durch diese Verbindungen innerhalb der Erzählungen verdichtet sich für mich auch die Handlung, alles wird irgendwie noch intensiver. Wenn man dies so sagen kann, denn thematisch ist das Beschriebene schon intensiv genug.
Es geht um weibliches Leben, weibliches Erleben in einem vom Patriarchat förmlich verschlungenen Land. Es geht um die Frauen eines Landes, in dem Frauenrechte neu geschrieben werden müssen. Es geht um ein Land, in dem sich Frauen formieren und um ihre Rechte kämpfen, es geht um ein Land, in dem gerade eine feministische Revolte stattfindet. In dieses Bild passt das Buch der mexikanischen Autorin perfekt. Außerdem ist Dahlia de la Cerda Mitbegründerin der feministischen Organisation Morras Help Morras. Übrigens eine Organisation von vielen. In dem großen Land Mexiko ist das keine Überraschung, denn die Frauen des Landes werden nicht nur in der Hauptstadt, sondern in fast allen Bundesstaaten des Landes aufbegehren.
Das Patriarchat, der Machismo, die organisierte Kriminalität, die in vielerlei Hinsicht in die Strukturen des Landes eingesickert ist, sind natürlich an ihrem Machterhalt, an ihrem weiter bestehenden Geldfluss interessiert. Inwieweit die Kirchen des Landes an einem Bestehen der bisherigen Ordnung festhalten, kann ich nicht sagen. Allerdings verbinde ich hier meine Vermutungen. Denn Konservative und Kirchen sind ja oft miteinander verbunden.
Allerdings gewinnen Frauen in Mexiko an Macht, besetzen Stellen in der Politik, in der Öffentlichkeit, bringen Veränderungen, gewinnen Stimmen. Weibliche Stimmen. Denn wir sind die Hälfte der Bevölkerung. In Mexiko. Und auch an allen anderen Orten der Welt. Das sollte das Patriarchat nie vergessen. Dies vergisst es auch nicht. Denn es ist an seinem Machterhalt interessiert und versucht natürlich Neuerungen zu be- und verhindern. In Mexiko und auch sonst überall.
Was „Reservoir Bitches“ so intensiv macht, ist die geschilderte Gewalt an den weiblichen Charakteren. „Reservoir Bitches“ ist traurig, ist düster. Dennoch ist es auch voller Hoffnung. Denn die Frauen in den Erzählungen erscheinen wehrhafter, als man dies in einem Land des Machismo vermuten könnte. Wie auch das Beschriebene in einer jungen Sprache geschrieben ist, die die 1985 geborene Dahlia de la Cerda wunderbar benutzt und damit auch die Veränderung im Zeitgeist in Mexiko darlegt.
„Reservoir Bitches“ ist kein einfach zu lesendes Buch. Es ist kein sonniges Buch. Aber es ist ein wichtiges Buch. Denn Information und Blicke über den Tellerrand hinaus waren ja noch nie Fehler. Und das Wissen um das weibliche Aufbegehren in vielen Teilen der Welt ist eine gute Information. Das Wissen um die Taten des Patriarchats ist ebenso essentiell. Denn diese rückwärtsgewandten Kräfte formieren sich ja momentan in vielen Teilen der Erde, sie vernetzen sich, wollen eine Umstrukturierung, wollen die Macht bei sich wissen und damit auch das Geld. Gilead is coming. Das sollten wir wissen. Denn wie weit sind die Frauen der Erde von mexikanischen Verhältnissen entfernt? Eine Frage, die weh tut. Ich weiß. Aber wie weit ist die Frage von der Realität entfernt, wenn auch bei uns eine Partei so viele Stimmen bekommt, die ganz offen Frauenrechte beschneiden will und unseren Platz am Herd und in der Mutterschaft sieht. Nicht etwa im Job. Nein. Und solche Sichten in Zeiten, in denen es immer mehr an einer arbeitenden Bevölkerung fehlt. Da fragt frau sich schon, was soll das? Gilead winkt da fröhlich um die Ecke.
Lest „Reservoir Bitches“, es ist richtig gut. Es ist spannend geschrieben und es ist voller Kraft. Es ist voller Information! Informationen, die berühren, die unsagbar wütend machen, aber ebenso sind es auch Informationen, die wach rütteln, die wach rütteln können. Wenn mensch es zulässt.