Die Sehnsucht nach dem Authentischen
Das Buch „Retroland“ von Valentin Groebner, S.Fischer Verlag, Ffm. 2018, trägt den erläuternden Untertitel: „Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen“.
In dem nur knapp 220 Seiten umfassenden Werk wird alles gestreift was den Stadtplaner
- wie auch den Marketingexperten - heutzutage berührt, wenn er sich beruflich mit Altstadt,…mehrDie Sehnsucht nach dem Authentischen
Das Buch „Retroland“ von Valentin Groebner, S.Fischer Verlag, Ffm. 2018, trägt den erläuternden Untertitel: „Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen“.
In dem nur knapp 220 Seiten umfassenden Werk wird alles gestreift was den Stadtplaner - wie auch den Marketingexperten - heutzutage berührt, wenn er sich beruflich mit Altstadt, erhaltender Erneuerung, Stadtmarketing, Gestaltungssatzung, Stadtsanierung, Dorferneuerung und Denkmalschutz etc... beschäftigt.
Nur dass diese Themen deutlich anders dargestellt und abgehandelt werden, wie gewohnt. Nämlich durch die Brille des Tourismusforschers und des Mittelalter- und Renaissanceforschers. So kommen entscheidend andere, bessere Blickrichtungen zustande.
Was hat z.B. der Mythos um den Berg Samanala Kanda in Ceylon mit der wiederaufgebauten Altstadt von Warschau zu tun? Vermittels einer langsam sich herausschälenden Theorie des Tourismus – beginnend mit einer leisen Kritik an Hans Magnus Enzensbergers ebensolchem Essay von 1962 schafft es Valentin Groebner den Leser mitzunehmen und nebenbei alle möglichen Begriffsdefinitionen unter die Lupe zu nehmen: Vergangenheit, Geschichte, Identität, Authentisch, Heimat, Substitution, Paradies, Replik, Kopie...
Fazit: das „Original“ existiert in der Regel gar nicht mehr. Das sind alles Rekonstruktionen.
Dabei spielen nebenbei auch die „Sex Pistols“ mit Ihrem Titel „Holiday in the Sun“ von 1976 eine Rolle. Auch die Alpen, Portugal und Spanien sind im Detail ihrer Monumente und Landschaften sehr treffend charakterisiert: „Ich reise also bin ICH“ wird ein Reiseprospekt beziehungsreich zitiert.
Die „Wiederholung“ als schillernder Begriff, als Gefühlschiffre (S. 147 ff):
„... Der Wunsch danach, dass im Urlaub endlich alles richtig sei, richtig wie früher, die Landschaft, die Hotels, die Strände und der Sound, dieser Wunsch schließt Ironie aus. Ich weiß nicht mehr, an welchem Mittelmeerstrand ich den VW-Bus mit Tiroler Kennzeichen gesehen habe – Sardinien? Er hatte Surfbretter auf dem Dach, die Seitentüren bemalt mit einem stilisierten Maori-Muster, darunter groß, in Schwarz: »Riders of the Storm«. Dasselbe Motto hat der Besitzer noch einmal sorgfältig verkleinert vorne über die beiden Frontscheinwerfer geschrieben. Unter den Scheinwerfern und dem Kühlergrill, auf der Stoßstange, saß ein großer Stoffteddybär. Er war mit Draht befestigt und sah, so gefesselt, ein wenig unbehaglich drein. Das Surferstüberl als Roadmovie und wildes Leben, The Doors mit Plüschtier...“
Ganz selbstverständlich werden auch die Doors mit Ihrem epochalem "Riders on The Storm" immer mehr als Denkmal zu betrachten sein. Nicht nur das Grab von Jim Morrison in Paris ist eine Pilgerstätte! Im Internet werden Lieder, Lyrics und Filme für eine Ewigkeit ausgestellt, aufgepäppelt, restauriert, mit Sauerstoff versorgt, ggf. wiederbelebt.
Sehr empfehlenswertes Buch – gerade auch wegen der zielgerichteten, wissensbasierten Umwege, die um das Thema kreisen.