Potential leider nicht ausgeschöpft
„Wird das für immer mein Leben sein? Unfähig, zu lieben, aber gierig, danach, geliebt zu werden, auch wenn es für anderen den Untergang bedeutet?“ (S. 19) Emilian ist gern mit Frauen zusammen, aber unfähig, sich zu binden. Als deswegen wiedermal eine Beziehung
scheitert, flüchtet er von Berlin nach Köln und fängt völlig neu an. Dazu gehört auch ein Job in…mehrPotential leider nicht ausgeschöpft
„Wird das für immer mein Leben sein? Unfähig, zu lieben, aber gierig, danach, geliebt zu werden, auch wenn es für anderen den Untergang bedeutet?“ (S. 19) Emilian ist gern mit Frauen zusammen, aber unfähig, sich zu binden. Als deswegen wiedermal eine Beziehung scheitert, flüchtet er von Berlin nach Köln und fängt völlig neu an. Dazu gehört auch ein Job in einer Werbeagentur, bei dem er sein Hobby, das Texten, endlich zum Beruf machen kann. Zusammen mit seiner Kollegin Vienna soll er die Einführung einer Dating-App vorbereiten und diese dazu ausgiebig testen. Dumm nur, dass er Vienna schon am ersten Arbeitstag verärgert hat und sie seitdem nur das Nötigste mit ihm spricht. Trotzdem stolpern sie irgendwie in eine Affäre. Und gerade, als die sich in eine ernsthafte Beziehung verwandelt, grätscht Emilians Vergangenheit dazwischen.
„Searching for Sunshine“ ist im Heartlines-Verlag erschienen. Für die Bücher lassen sich Autoren von wahren Schicksalen und Geschichten inspirieren. Hier hat sich Cassidy Cane mit der Biographie des Poetry-Slammers Kevin Reichelt auseinandergesetzt.
Emilian hatte eine schwere Kindheit. Während seine jüngeren Halbgeschwister von seinem Stiefvater verwöhnt wurden, hat er ihn seelisch und körperlich misshandelt, vor allem nach dem Tod seiner Mutter. Darum hat sich Emilian schon früh von der Familie losgesagt, aber trotzdem immer auf seine Geschwister aufgepasst. Das hat ihn für seinen Stiefvater weiter angreifbar gemacht.
Vienna ist erst 22, aber schon alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes, von dem auf Arbeit niemand weiß. Außerdem gibt ihr Chef ihre Ideen immer als seine aus und boykottiert so ihren Aufstieg in der Agentur. Die Dating-App ist ihr erstes eigenes Projekt und könnte ihren Durchbruch bedeuten, wenn nur Emilian und ihre widersprüchlichen Gefühle für ihn nicht wären.
Leider hat mich die Geschichte nicht so berührt, wie erwartet, weil ich über einige Ungereimtheiten gestolpert bin. Das ist u.a. Viennas Abneigung gegen Emilian, nur weil ihm am ersten Arbeitstag rausrutscht, welchen Spitznamen sie in der Firma hat. Den hat er sich aber nicht ausgedacht, sondern ausdrücklich gesagt, dass er ihn unpassend findet. Also wenn sie schon sauer ist, dann doch auf ihre Kollegen und nicht auf ihn. Zudem weiß niemand in der Firma, dass sie ein Kind hat? Das ist eher unwahrscheinlich, schließlich steht das auf der Lohnsteuerkarte.
Auch die Emotionen kommen bei mir nicht an. Was Emilian in der Kindheit erlebt hat, tut mir zwar leid, löst aber nichts aus – vielleicht, weil er es selber so rigoros ausblendet und verdrängt. Da fühle ich mit Vienna deutlich mehr mit, auch wenn sie sich „nur“ mit ihrer übergriffigen und oft etwas taktlosen Mutter auseinandersetzen muss, die doch angeblich nur das Beste für sie will und dabei gar nicht merkt, wie sehr sie sie unter Druck setzt und verletzt.
Ich habe nach dem Lesen Kevin gegoogelt und muss sagen, dass ich die Geschichte wahrscheinlich nachvollziehbarer gefunden hätte, wenn sich Cassidy Cane mehr an den wirklichen Geschehnissen und Umständen orientiert hätte und der Grund für Viennas anfängliche Abneigung nachvollziehbarer gewesen wäre. 3 von 5 Sternen