eine Stimme unserer Zeit
Ist ein Zitat des N-Wortes noch legitim? Und wie soll ich mich zum gendern verhalten? Diese und viele weitere Fragen wie zu Me Too behandelt die Autorin aus philosophischer Sicht.
Denn die zweite Frage ist, wie verhalte ich mich, wenn Randgruppe diskriminiert werden. Bin
ich dafür sensibel oder dagegen resilient. Boykott oder gar Kündigungen soll es schon gegeben…mehreine Stimme unserer Zeit
Ist ein Zitat des N-Wortes noch legitim? Und wie soll ich mich zum gendern verhalten? Diese und viele weitere Fragen wie zu Me Too behandelt die Autorin aus philosophischer Sicht.
Denn die zweite Frage ist, wie verhalte ich mich, wenn Randgruppe diskriminiert werden. Bin ich dafür sensibel oder dagegen resilient. Boykott oder gar Kündigungen soll es schon gegeben haben.
Diese Zeitfragen setzt die Philosophin in Beziehung zu ihren Vorgängern. Während Nietzsche Widerstandsfähigkeit fordert, setzt sich Rosseau wie sein Vorgänger Richardson für mehr Empathie ein, die er vor allem in Frauenbildern findet. Dies war im 18. Jh. schon ein wesentlicher Fortschritt zum Mittelalter, das aus heutiger Sicht nur gewalttätig erscheint.
Im 4. Kapitel folgt der Sprung ins 20. Jahrhundert, zu Freud und Jünger. Freud war der erste, der die Triebe untersuchte, die hinter einer guten Handlung stehen. Ernst Jünger beschreibt den Krieg als inneres Erlebnis. Dabei entsteht ein Exkurs, dass Strafen sich vom körperlichen Schmerz entkoppelt. Opfer ist nicht mehr nur der Gefallene im Krieg, sondern auch wer von den Traumas des Krieges erzählen kann. Da liegt es schon quasi auf der Hand, den Traumabegriff unabhängig vom Krieg zu sehen.
Den Höhepunkt des Buches bildet das 6. Kapitel, das die Sprachsensibilität behandelt. Sehr gut gefallen hat mir, dass diskriminierende Wörter wie „schwul“ sich zu emanzipatorischen Wörtern entwickelt haben. Und so stellt sich auch beim N-Wort die Frage wer es in welchem Zusammenhang benutzt. Die Frage ist, wie weit man die Zensur von Wörtern zulassen will. Auch auf die Gefahr der kulturellen Aneignung weist die Autorin hin.
Schwierig wird es, wenn Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climbed“ nur von schwarzen jungen Frauen übersetzt werden darf, weil andere sich nicht in ihre Lage einfühlen können. Betroffenenperspektive und Standpunkttheorie stehen sich gegenüber. Empathie bedeutet auch den Wechsel von der „ich-“ zur „du-zentrierten-Perspektive“.
Im letzten Kapitel widmet sich die Philosophin sich Corona und der wachsenden Distanz in zivilisierten Gesellschaften, die sich beispielsweise in der zunehmenden Wohnfläche äußert. Berührungen sind immer seltener erlaubt. Immer mehr wird Takt- oder Fingerspitzengefühl verlangt. Die Autorin schließt mit dem Tocqueville-Paradox, dass je gleichberechtigter eine Gesellschaft wird desto sensibler wird sie auch für noch bestehende Ungerechtigkeiten (204).
Angesichts der Vielzahl kluger Zitat und dem differenzierten Meinungsbild komme ich nicht umhin, 5 Sterne zu vergeben.