Grossmans Helden: Die Bürger der Sowjetunion
Wassili Grossmans Roman Stalingrad ist ein epochales Werk. Es schildert das Leiden, Leben, Lieben, das Kämpfen, Erdulden, den Mut und die Entschlossenheit der Bevölkerung der Sowjetunion im Kampf gegen Hitlers Armeen. Wir erfahren, wie diese im Krieg,
in dem das Extreme zum Normalen verkommt, sich verhalten, wie sie trotz all der Zerstörungen und…mehrGrossmans Helden: Die Bürger der Sowjetunion
Wassili Grossmans Roman Stalingrad ist ein epochales Werk. Es schildert das Leiden, Leben, Lieben, das Kämpfen, Erdulden, den Mut und die Entschlossenheit der Bevölkerung der Sowjetunion im Kampf gegen Hitlers Armeen. Wir erfahren, wie diese im Krieg, in dem das Extreme zum Normalen verkommt, sich verhalten, wie sie trotz all der Zerstörungen und Niederlagen, die sie haben erfahren müssen, ihre Angst vorm Tod besiegen, mit äußerster Hingabe ihr Land verteidigen, und niemals daran zweifeln, dass am Ende der Sieg ihnen gehört. Diese Zuversicht war es, die mich überrascht, zugleich besonders beeindruckt hat.
Können wir Grossmans Darstellung glauben? Grossmans Vita, inzwischen hinlänglich bekannt, spricht dafür. Ebenso der umfängliche, mit Fakten gespickte Anhang. Und wer bemängelt, daß er Stalins nur gelegentlich, und dann eher mit Milde, fast könnte man sagen, mit einem gewissen Verständnis erwähnt, dann doch deshalb, um die damalige Wirklichkeit richtig abzubilden. Denn der gemeinsame Feind war Hitler, nicht Stalin. Im Gegenteil. Stalins unerbittliche Brutalität hat vermutlich einen nicht vernachlässigbaren Beitrag zum Sieg über Deutschland beigetragen.
Grosmans Roman besteht, ganz in russischer Tradition, aus mehr als tausend Seiten. Nicht alles muß gelesen werden, habe ich mir gedacht und einige Kapitel übersprungen. Übrigens gelang es mir nicht, die vielen Namen, die das Buch bevölkern, jeweils zuzuordnen, so daß ich immer wieder in der Namensliste auf den Seiten 26-32 nachschlagen mußte. Meist bin ich dann stehen geblieben, wenn Grossman über das Wasser der Wolga schreibt. Über die Luft darüber und das Farbspektrum, das durch die auf- und untergehende Sonne hervorgerufen wird. Eine der eindrucksvollsten Beschreibungen von Natur, die mir in Buchform bisher begegnet sind.
Ja, und die Menschen im Roman. Ich mochte sie fast alle. Nein, nicht die paar Deutschen, die auf einigen Seiten zu Wort kommen.
Tröstlich, dass Stalingrad so sich nicht wiederholen wird. Aber nichtsdestotrotz halte ich dafür, daß nicht in Vergessenheit gerät - hier im Land des einstigen Aggressors - daß es vor allem die Sowjetunion war, die ungeheuerlich viele Menschen, Städte, Dörfer, Natur hat opfern müssen, um die deutsche Kriegsmaschinerie ein für allemal zu zerstören. Nirgendwo wird das vermutlich eindringlicher und realistischer beschrieben, als in Grossmans Buch Stalingrad (und dessen Nachfolger, Leben und Schicksal, den ich noch nicht gelesen habe).