Gespiegelte Frauenleben: Autofiktionaler Mutter-Tochter-Debütroman
Die Autorin Annette Byford ist genauso wie die Icherzählerin ihres autofiktionalen Debütromans „Tanzende Spiegel“ Anfang der 50er Jahre in Deutschland geboren und absolvierte nach ihrem Umzug nach England eine Ausbildung als
Psychotherapeutin.
Ihre Mutter war im Deutschland der frühen Nachkriegsjahre noch eine junge Frau, die…mehrGespiegelte Frauenleben: Autofiktionaler Mutter-Tochter-Debütroman
Die Autorin Annette Byford ist genauso wie die Icherzählerin ihres autofiktionalen Debütromans „Tanzende Spiegel“ Anfang der 50er Jahre in Deutschland geboren und absolvierte nach ihrem Umzug nach England eine Ausbildung als Psychotherapeutin.
Ihre Mutter war im Deutschland der frühen Nachkriegsjahre noch eine junge Frau, die unbedingt und intensiv leben wollte, die Glück und Liebe suchte, aber auch unabhängig bleiben wollte. Obwohl sie mit einem Arzt verlobt war, beginnt sie ein heimliches Verhältnis mit ihrem Vorgesetzten. Dieser ist viel älter als sie, verheiratet und Vater von vier Kindern. Als sie schwanger wird, muss sie abwägen, ob sie sich den gesellschaftlichen Normen fügt und sich für ein Leben als Ehefrau eines Arztes entscheidet.
Auf der anderen Seite ist da ihre Tochter, die ein halbes Jahrhundert später in Großbritannien lebt ind arbeitet. Die alternde Psychotherapeutin ist kürzlich Witwe geworden. Diesen Verlust hat sie noch nicht überwunden, sie hadert mit ihrem neuen Alltag, ohne ihren Mann. In Rückblenden analysiert sie das Leben ihrer Mutter, deren Entscheidungen und was diese für Folgen für ihr eigenes Leben hatten und haben.
"Sie hat nämlich später mit mir über all das gesprochen und mich mit ihren Vorstellungen zu Liebe und Leidenschaft gefüttert, zu Kompromissen und der Frage, wie man als Frau Entscheidungen trifft. Ihre Muttermilch war angereichert mit Bildern und Gedanken und Erwartungen, was sich zwischen Männern und Frauen abspielt. So lernen wir Töchter das von unseren Müttern. Wir hören zu, wir beobachten, wir trinken diese Milch, und ohne es zu wissen, lernen wir von Liebe, der Liebe, die etwas mit diesem Blick zu tun hat, mit dem sich ein Mann und eine Frau erkennen, tief in den anderen hineinschauen und sich wirklich sehen. Und in Bezug auf die Ehe lernen wir, dass ich der Blick verändern kann, nicht mehr nur aufeinander gerichtet ist, sondern sich nach außen wendet, auf ein Kind vielleicht, ein Projekt, ein gemeinsames Leben. Das ist es, was wir lernen."
Als sich die Ich-Erzählerin in eine ihrer Patientinnen verliebt, eine junge Cellistin, gerät ihr Leben aus den Fugen. Sie kann ihre Gefühle nur schwer unter Kontrolle halten; sie wünscht sich, die Cellistin auch außerhalb der Praxis zu kontaktieren. Doch damit würde sie ihren Beruf, alles aufs Spiel zu setzen ...
Die Zeitsprünge und Perspektivwechsel vom Nachkriegsdeutschland ins heutige Großbritannien fand ich sehr gelungen. Sprachlich ist das Buch sehr feinfühlig, besonders die Abschnitte über ihre Mutter sind der Autorin sehr liebevoll und berührend gelungen. Insgesamt ist diese Mutter-Tochter-Beziehung, die generationenübergreifend von Schweigen, aber auch emotionalen Parallelen geprägt ist, sehr beeindruckend dargestellt.
„So ist es eben: Du schaust deine Mutter an und siehst dich im Spiegel ihrer Augen.“
Auch die inneren Konflikte der Tochter, ihre Zerrissenheit zwischen zwei Nationen sowie ihr Leben, ihre Arbeit als Psychotherapeutin, waren sehr authentisch dargestellt (was sicher auch am beruflichen wie privaten Hintergrund der Autorin liegt):
"Was auch immer, ich habe dieses seltsame dazwischen immer gemocht, Etablierte und Außenseiterin zugleich. Es hat mich nie gestört; ich hatte immer das Gefühl, dass etwas daran zu mir passt. Ist das nicht genau das, was ich als Psychotherapeutin die ganze zeit bin - zugleich Teil der inneren Welt meiner Patienten und doch eine Außenseiterin in ihrer äußeren Welt, wichtig und unwichtig zugleich?“
Ein Debütroman, der unbedingt Beachtung finden sollte.