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In ihrer anregenden Übersicht über "Theorien des Todes" zeigt Petra Gehring, wie sehr der Tod die Philosophen von den Vorsokratikern bis zu Heidegger, Adorno und Anders umgetrieben hat. Leicht fasslich scheint zunächst der Gedanke, dass das Verständnis des Todes und die individuelle Haltung zur eigenen Sterblichkeit auch das Verhältnis zum Leben prägen. So führt die Autorin vor, wie sich die antike Philosophie an der seit Sokrates politischen Frage abarbeitet, welche Macht wir der Furcht vor dem Tod über das Leben einräumen. Erst die historische Entwicklung aber macht anschaulich, wie extrem sich Todesinterpretationen und Lebensverständnis unterscheiden können: In ihrer luzide geschriebenen Darstellung schreitet Gehring von der christlichen Umwertung des Todes als Tor zum Jenseits über die "farblose Unbehaglichkeit", welche die Leib-Seele-Problematik der Aufklärung hinterlässt, bis zur Soziologisierung und Medikalisierung des Todes in der Neuzeit. Ein wenig verwundern dabei nur die acht dünnestmöglichen Zeilen, die sie dem Freudschen Todestrieb widmet ("genannt werden muss außerdem"), während sich etwa für Schellings naturphilosophische Verwegenheiten anderthalb Seiten Platz findet. Ein abschließendes Kapitel führt ins aufgewühlte Feld der Gegenwart. Mit Phänomenen wie Sterbehilfe, Hirntod, Sterbepsychologie und Hospizbewegung sieht die Autorin eine "Deregulierung" des Todes heraufziehen. Ihr gelingt ein eindrucksvolles Schlaglicht auf die doppelte Bewegung einer Enteignung des Todes durch die Medizin, deren Kriterien sich vom Erfahrungswissen der Menschheit abgekoppelt haben, und einer normativen Sterbeerwartung, wie der Einzelne gleichwohl seinen ihm entrissenen Tod zu bewältigen habe. Mit der Bündigkeit, die man an ihren Sachbuchkritiken für diese Zeitung schätzt, hält Petra Gehring fest: "Philosophie bringt hier nichts zusammen." (Petra Gehring: "Theorien des Todes". Zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 2010. 208 S., br., 13,90 [Euro].)
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