Die Verfolgungssuizide in Deutschland zwischen 1933 und 1945 werden in dieser Arbeit als distinktes historisches Phänomen beschrieben. Mit Beginn der Deportationen blieben den Verfolgten nur noch zwei Optionen, sich dem totalen Anspruch der NS-Verfolger auf Leib und Leben zu entziehen: die Flucht in den Untergrund und die Flucht in den Tod.
Während die Suizide den Ablauf der Deportationen nicht grundsätzlich in Gefahr brachten, bereiteten sie für die Verfolger beim Einzug des Vermögens einen erheblichen Mehraufwand. Es mussten alternative Konstrukte gefunden und Verordnungen angepasst werden, um die (schein)legale Beraubung fortsetzen zu können. Die Menschen, die sich durch Suizid entzogen hatten wurden somit posthum zu Störenfrieden der Enteignung.
Ärztinnen und Ärzte spielten im Zeitraum der Deportationen eine wichtige Rolle, waren sie doch wie kaum eine andere Profession involviert in das Thema der Verfolgungssuizide: sei es durch vertrauliche Beratung oder die Beschaffung von Mitteln im Vorfeld, über die Behandlung nach gescheiterten Suizidversuchen oder die Feststellung des Todes.
Die NS-Behörden versuchten ihrerseits, Suizide zu verhindern, um die reibungslose Durchführung der Deportationen sicherzustellen. In diesem Spannungsfeld mussten Ärztinnen und Ärzte täglich Entscheidungen zwischen akuter Lebensrettung und Verhinderung weiteren Leidens treffen, wie hier gezeigt wird.
Das Buch plädiert für eine feste Verankerung der tausenden Verfolgungssuizide in die Flucht- und Widerstandsforschung, die bis heute fehlt. Denn: Diese Selbsttötungen waren oftmals mehr als reine Verzweiflungstaten. Sie wurden geplant und als bewusste Entscheidungen getroffen, die Parallelen zu anderen Fluchtgeschichten wie dem Untertauchen sind offensichtlich. Beiden Formen der Verweigerung sind wesentliche Elemente von Resistenz und Selbstbehauptung gemein. Und neben allem Leid konnten sie durchaus positive Signaturen aufweisen.
Durch eine integrierende Betrachtung der Fälle von Untertauchen, Suiziden und Suizidversuchen wird ein sehr viel größeres Ausmaß an Entziehungen und Verweigerung vor dem NS-Zugriff offensichtlich und weitet den Blick auf Resistenz und Widerstand unter den zur Deportation bestimmten Menschen.
Die letzten Lebensjahre von Arthur Nicolaier zeigen dabei, wie sehr das Handeln von Hoffnung und Verzweiflung geprägt war - und wie Verfolgte bis zum letzten Moment aktiv Handelnde bleiben konnten.
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