Ein namenloses Ehepaar aus New York begibt sich auf eine lange und beschwerliche Reise in den äußersten Norden Europas, um im dortigen Waisenhaus ein Kind zur Adoption abzuholen. Ihr Quartier ist das seltsame Grand Imperial Hotel, dessen Gäste die Eigenheiten des Gebäudes sogar noch übertreffen. So
verwundert es nicht, dass das gerufene Taxi sie am nächsten Morgen nicht wie geplant zum Waisenhaus…mehrEin namenloses Ehepaar aus New York begibt sich auf eine lange und beschwerliche Reise in den äußersten Norden Europas, um im dortigen Waisenhaus ein Kind zur Adoption abzuholen. Ihr Quartier ist das seltsame Grand Imperial Hotel, dessen Gäste die Eigenheiten des Gebäudes sogar noch übertreffen. So verwundert es nicht, dass das gerufene Taxi sie am nächsten Morgen nicht wie geplant zum Waisenhaus bringt, sondern zum sonderbaren Heiler Bruder Emmanuel. Ist dieser Mann die Rettung für die todkranke Ehefrau? Oder steckt vielleicht ein ganz anderer Plan hinter den Machenschaften des Heilers?
In seinem neuen Roman "Was geschieht in der Nacht", der jetzt bei Liebeskind erschienen ist, erzählt Peter Cameron die Geschichte eines Ehepaares, das sich auf eine düstere Reise begibt, die einerseits die Liebesbeziehung der beiden Protagonisten zu einem versöhnlichen Ende führen und andererseits den Weg für eine neue, elterliche Liebe öffnen soll. Dass letztlich alles ganz anders kommt, spürt man praktisch vom ersten wunderbaren Satz an. "Der Abend senkt sich so beunruhigend abrupt herab wie der hastig fallende Vorhang vor einer Laienaufführung, die fürchterlich danebenging", heißt es dort und da auf den folgenden Seiten wohl so häufig wie in kaum einem anderen Roman die Wörter "dunkel" und "Dunkelheit" auftauchen, ahnt man als Leser:in früh, dass diese Reise durch lichtlose nordische Wälder zu einem unwirtlichen Bahnhof kein fröhlicher Urlaubstrip wird.
Cameron entpuppt sich in diesem fulminanten Beginn, der einen sofort in die Handlung hineinreißt, als Meister der Atmosphäre. Alles wirkt so bedrohlich und gleichzeitig kunstvoll, dass ich mich zeitweise in einem Arthouse-Horrorfilm wähnte. Doch die Horrorelemente entwickeln sich früh zu einem Mysterium, das seinen Höhepunkt mit dem ersten Auftritt des Hotels und seiner seltsamen Mitarbeiter:innen und Gäste erreicht. Eine Hotelhalle, die einer Krypta ähnelt, eine Bar, die nur von einem immer in Bewegung scheinenden Perlenvorhang separiert wird und natürlich die Menschen dort, die mit zunehmender Dauer des Romans wie verlorene Seelen wirken; Heimatlose, die eine so starke Verbindung mit dem Hotel eingehen, dass man fast das Gefühl bekommt, sie seien das Hotel.
Das cineastische Ambiente bleibt auf jeden Fall bestehen, doch nun hatte ich das Gefühl, mich in einem sehr guten David Lynch-Film zu befinden. So hätte es mich nicht gewundert, wenn durch diesen Vorhang plötzlich ein tanzender Kleinwüchsiger getreten wäre oder die im Hotel als Musikerin auftretende Diva Livia Pinheiro-Rima - schon der Name verrät ihren Glamour - sich für das Rückwärtssprechen entschieden hätte.
Neben der Atmosphäre sind es diese verrückten und skurrilen Figuren, die den Charme von "Was geschieht in der Nacht" ausmachen. Die zahlreichen Dialoge, bei denen der Autor übrigens konsequent auf Anführungszeichen verzichtet, strotzen vor Wortwitz, Klugheit und - insbesondere am Ende des Romans - philosophischer Tiefe. Denn Cameron gelingt es trotz aller Düsternis und der Schwere des drohenden Todes der Ehefrau, die Handlung einerseits erstaunlich leicht, spannend und unterhaltsam voranzutreiben und dennoch nicht die Schönheit der Literatur aus den Augen zu verlieren. So heißt es beispielsweise über den schon erwähnten Vorhang, die Perlen reagierten in ihrer Erzitterung "nur auf die Spannung der Welt".
Dass die von Peter Cameron in diesem Roman erschaffene Welt ihre Spannung nicht verliert, liegt vor allem am grandiosen Finale, das mit seiner tiefen Menschlichkeit verblüfft und die ein oder andere Länge, die das Buch in seiner Mitte aufweist, vergessen lässt. Der Autor schreibt sich in Höchstform und geißelt sich selbstironisch, indem er eine wahrlich nervige Nebenfigur komplett demaskiert und lapidar als "Ablenkung" abtut. Im letzten Akt des mittlerweile auch zu einem Beziehungsdrama gewordenen Buches schwingt sich dafür Livia in vorher kaum vermutete Handlungssphären, wobei es ihr beinahe gelingt, dem Hotel als