Titel: Bittersüßer Zauber des Erwachsenwerdens.
Kurzmeinung: Ein poetisch aufgeladener, emotionaler Coming-of-Age-Roman, der mit seiner Fülle an Themen fasziniert, zugleich aber an erzählerischer Überfülle krankt.
In „Wenn unsere Welt kippt“ entführt Jandy Nelson ihre Leserinnen und Leser in
das sonnendurchflutete Kalifornien, in die fiktive Kleinstadt Paradise Springs – einen Ort, an dem…mehrTitel: Bittersüßer Zauber des Erwachsenwerdens.
Kurzmeinung: Ein poetisch aufgeladener, emotionaler Coming-of-Age-Roman, der mit seiner Fülle an Themen fasziniert, zugleich aber an erzählerischer Überfülle krankt.
In „Wenn unsere Welt kippt“ entführt Jandy Nelson ihre Leserinnen und Leser in das sonnendurchflutete Kalifornien, in die fiktive Kleinstadt Paradise Springs – einen Ort, an dem Teufelswinde wehen, ein Soufflé Menschen sich ineinander verlieben lässt, ein Wein die Seele berührt und andere phantastische Dinge geschehen. Dies ist die Heimat der Familie Fall.
Im Mittelpunkt stehen die Geschwister Dizzy (12), Miles (17) und Wynton (19). Ihr familiärer Zusammenhalt ist brüchig, jeder kämpft mit dem eigenen Weg des Erwachsenwerdens und dem Fehlen ihres Vaters, der die Familie unerwartet verlassen hat.
Als die drei auf die rebellische, lebensfrohe Cassidy treffen – ein Mädchen mit bunten Haaren, tätowierten Lieblingswörtern und einer faszinierenden Ausstrahlung verändert sich ihr Leben spürbar. Cassidy wird zum Katalysator für Aufbruch, Neuanfang, Sehnsucht und Selbstfindung. Doch ob sie die Familie Fall tatsächlich wieder vereinen kann, bleibt offen.
Jandy Nelson gilt als gefeierte Stimme der modernen Jugendbuchliteratur. Obwohl dies mein erstes Buch von ihr war, war ich voller Neugier und Erwartungen, welche Geschichte mich erwarten würde.
Die Erzählung wechselt zwischen den Perspektiven von Dizzy, Miles, Wynton und Cassidy. Eingestreute Briefe und poetische Passagen verleihen dem Roman eine märchenhafte Note. Durch den Perspektivwechsel gewinnt die Handlung an Dynamik, Spannung und Tiefe. Besonders gelungen sind die schön gestalteten grafischen Elemente, die einige Kapitel hervorheben und sich wie ein roter Faden durch den Roman ziehen.
Thematisch wagt sich Nelson an komplexe Bereiche: erste Liebe, das Entdecken eigener Queerness, der Verlust eines Elternteils, Vernachlässigung, psychische Erkrankungen wie Depressionen und manische Episoden sowie Alkoholismus. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass es schlicht zu viele gewichtige Themen waren, die angerissen, aber nicht vollständig aus erzählt oder für das junge Zielpublikum ausreichend eingeordnet wurden.
Auch stilistisch ist der Roman stellenweise überbordend. Vieles wirkt zu üppig, teilweise kitschig erzählt. Immer wieder driftet Nelson in einen magischen Realismus ab, der sich nicht immer organisch in die Handlung fügt und an manchen Stellen eher erzwungen wirkt.
Die lyrischen Einschübe und der grundsätzlich leichte, bildhafte Schreibstil sind gut gewählt, verlieren jedoch durch die inhaltliche Überfrachtung an Wirkung.
Als positiv habe ich die Darstellung der jugendlichen Figuren empfunden. Sie sind glaubwürdig und vielschichtig gestaltet; man spürt ihre Unsicherheiten, ihr Ringen und ihre Verletzlichkeit.
Insgesamt war „Wenn unsere Welt kippt“ für mich ein emotional starkes, aber erzählerisch überladenes Leseerlebnis.
Die poetische Sprache und die Tiefe der Themen wollten sich nicht immer zu einer klaren Einheit fügen.
Trotz einiger Schwächen ist das Buch ein charmantes, teils berührendes Coming of Age Werk – nur hätte weniger hier vielleicht mehr sein können.
Fans poetisch-magischer Jugendromane dürften Gefallen daran finden.