Jürgen Becker (geb. 1932 in Köln) ist einer der angesehensten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur, was zahlreiche Preise und Auszeichnungen beweisen, u.a. Peter-Huchel-Preis, Heinrich-Böll-Preis, Hermann-Lenz-Preis und zuletzt der Thüringer Literaturpreis. Außerdem ist Becker Mitglied
der Akademie der Künste und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Pünktlich zum 80.…mehrJürgen Becker (geb. 1932 in Köln) ist einer der angesehensten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur, was zahlreiche Preise und Auszeichnungen beweisen, u.a. Peter-Huchel-Preis, Heinrich-Böll-Preis, Hermann-Lenz-Preis und zuletzt der Thüringer Literaturpreis. Außerdem ist Becker Mitglied der Akademie der Künste und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Pünktlich zum 80. Geburtstag des Autors hat der Suhrkamp Verlag, wo seine Werke fast ausschließlich erschienen, einen Prosa-Auswahlband herausgebracht. Insgesamt hat Jürgen Becker zwischen 1964 und 2009 zehn Prosabände vorgelegt, die alle in dem vor-liegenden Auswahlband vertreten sind, sodass - wie der Untertitel verrät - ein „Durchgang Prosa aus fast fünf Jahrzehnten“ entstanden ist.
Bei der Lektüre fragt der Leser sicher unwillkürlich: Ist das ein und derselbe Autor? So unterschiedlich sind die Textformen und Schreibweisen. Wie Becker in einem Nachwort selbst bekennt, ist der Name des Verfassers zwar derselbe, aber die Person, die dahinter steht, hat im Laufe der fünfzig Jahre mehrfach die literarische Identität gewechselt. Vielleicht war diese Identität von Anfang an sogar eine mehrfache.
Große Aufmerksamkeit fand bereits Beckers erstes Prosabuch „Felder“ (1964); die beiden folgenden Bände „Ränder“ (1968) und „Umgebungen“ (1979) festigten schließlich seinen Ruf als Verfasser experimenteller Literatur. „Erzählen bis Ostende“ (1981) ist ein Selbstgespräch, in dem ein Mann im Halbschlaf in einem Zug bruchstückhaft seine Erinnerungen der letzten Jahre schildert. In den 80er Jahren, in denen sich Becker verstärkt der Lyrik widmete, erschien noch „Die Türe zum Meer“ (1983).
Die Prosatexte aus den 90er Jahren waren zunächst stark von den Ereignissen von 1989/90 geprägt. Wende und Wiedervereinigung wirkten entscheidend auf sein Schreiben ein. Die Erzählung "Der fehlende Rest" (1997) und vor allem der 1999 erschienene Roman "Aus der Geschichte der Trennungen" widerspiegeln die deutschen Nachkriegserfahrungen, wobei „Aus der Geschichte der Trennungen“ Beckers erster Roman ist.
„Schnee in den Ardennen“ (2003) und „Die folgenden Seiten“ (2006) dagegen sind ein Journalroman bzw. Journalgeschichten mit tagebuchartigen Aufzeichnungen, in denen Becker seine Beobachtungen und Wahrnehmungen festhielt. In „Im Radio das Meer“ (2009) verbleiben von diesen journalistischen Texten nurmehr Journalsätze übrig - Becker hatte damit die Minimalisierung des Schreibens für sich entdeckt.
Auf den knapp 300 Seiten kann man das vielstimmige Erzählwerk eines eigenwilligen Autors kennenlernen. Èine unverwechselbare Stimme in der deutschen Gegenwartsliteratur.
Manfred Orlick