David Locke (Jack Nicholson) ist Berichterstatter in Afrika. Mitten in seinem scheinbar so erfolgreichen Leben wird er von Zweifeln am Sinn seiner Tätigkeit heimgesucht, er ist in einer Identitätskrise. Als in seinem Quartier am Rande der Wüste sein Zimmernachbar David Robertson stirbt, profitiert Locke von ihrer äußeren Ähnlichkeit: er nimmt die Identität des Toten an. Seine neue Identität ist geprägt von zweifelhaftem politischem Engagement im Untergrund, er liefert Informationen und Waffen an die Guerillas. Endlich nimmt er politisch Stellung. Doch seine neue Identität bleibt ihm ebenso fremd wie seine ursprüngliche. Was als der Versuch, sich zu engagieren, begonnen hatte, wird immer mehr zu einem Fluchtversuch vor seinem früheren Leben. Locke fährt nach London, München, Barcelona, wo er die Treffen Robertsons übernehmen will, doch die Aufgabe gleitet ihm aus den Händen. Zunehmend zielloser und verwirrter treibt er durch Europa, seinem Tod entgegen...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Filmkommentare: Jack Nicholson / Aurora Irvine und Drehbuchautor Mark PeploeJack Nicholson kommentiert Antonionis "The Passenger"
Michelangelo Antonioni: "The Passenger".
Sony Pictures. Code 1. Englisch. Englische Untertitel. Audiokommentare von Jack Nicholson und Drehbuchautor Mark Peploe
Wenn Jack Nicholsons Stimme noch unter den Titeln anhebt, geht es einem wirklich durch Mark und Bein. Ein Raunen ist das wie vom Olymp herab, auf dem er sich als Schauspieler ja auch längst schon befindet. Man spürt in Nicholsons Audiokommentar seine Präsenz durch die Abbilder des jüngeren Selbst hindurch, als bilde die Strecke, die er in seiner Karriere seither zurückgelegt hat, einen eigenen Klangraum hinter den Bildern. Über dreißig Jahre sind das seit "Beruf: Reporter", der in Amerika "The Passenger" heißt, dreißig Jahre, in denen Nicholson zum ungekrönten König Hollywoods aufgestiegen ist, der alles machen kann und dem man alles verzeiht. Wenn er zu Oscar-Verleihungen geht, wirkt er wie ein Mann, der jeden Ehrgeiz hinter sich gelassen hat und nur gekommen ist, um Spaß zu haben. Und wenn er dann auf der Bühne steht, dann weiß man, daß alle seinem Signal folgen würden, wenn es ihm einfiele, den Saal leeren zu lassen. Das hat mit Antonionis Meisterwerk von 1974 erst mal nichts zu tun, beschreibt aber das Vergnügen, den Film von Nicholson kommentiert zu sehen. Schon auf der Criterion-DVD von "L'avventura" hat er für die Extras eine der Kurzgeschichten Antonionis vorgelesen, und auch diese DVD wäre ohne seine Initiative kaum entstanden. Man merkt vom ersten Wort an, warum er sich dafür engagiert: weil er begriffen hat, daß bei all dem, was er in Hollywood erreicht hat, dieser Film trotzdem eine Ausnahme darstellt. Weil Antonioni etwas eingefangen hat, was nur zu haben ist, wenn man sich auf die Verlockungen des gepflegten Erzählens nicht einläßt.
Ein Reporter ist auf der Suche nach einem Krieg, der außerhalb Afrikas kaum jemanden interessiert, und stößt in einem Hotel in einem gottverlassenen Kaff in Nordafrika auf einen Waffenhändler, hinter dem er her ist. Als er ihm begegnet, ist der Mann allerdings schon tot, und weil er ihm nicht unähnlich sieht, beschließt der Reporter, seine Identität anzunehmen. Man wird nie erfahren, warum, außer daß da jemand ist, der seine alte Existenz hinter sich lassen will. So fährt er der Reiseroute nach, die das Notizbuch des Toten vorgibt, von Afrika über München nach Barcelona, begegnet einem Mädchen (Maria Schneider), das ihm hilft, und wird am Ende zum Opfer seines Rollentauschs. Man könnte auch sagen, er findet den Tod, den er gesucht hat.
Das alles ist mit Antonionis unvergleichlichem Sinn für Landschaften und Leere inszeniert, und Nicholson gluckst immer wieder in sich hinein vor Vergnügen über die Unverschämtheiten, die sein italienischer Regisseur seinem Publikum zumutet. Aber man hat jeden Moment den Eindruck, daß Nicholson ganz genau weiß, welchen Rang diese Erfahrung in seinem Werk einnimmt, und die Tatsache, daß er kein Intellektueller ist, heißt noch lange nicht, daß er nicht sehr intelligent darüber reden kann.
MICHAEL ALTHEN
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