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Paris 1922, der todkranke Marcel liegt im Bett und arbeitet an einem Manuskript. Erschöpft betrachtet er alte Fotos, Porträts der Eltern, Gilbertes, des Autors als junger Mann. So beginnt Raúl Ruiz' bildgewaltige Proust-Adaption, die weit mehr ist als eine Verfilmung des letzten Teils der Recherche. Mittels einer raffinierten Erzählstruktur gelingt es dem Filmemacher, in kunstvollen »Rückblenden-Rösselsprüngen« (Der Spiegel) die Figuren, Motive und Sinneseindrücke der Vorlage zu verknüpfen wie im »Muster eines erlesenen Teppichs, das im wechselhaften Licht der Jahreszeiten und Stimmungen immer…mehr

Produktbeschreibung
Paris 1922, der todkranke Marcel liegt im Bett und arbeitet an einem Manuskript. Erschöpft betrachtet er alte Fotos, Porträts der Eltern, Gilbertes, des Autors als junger Mann. So beginnt Raúl Ruiz' bildgewaltige Proust-Adaption, die weit mehr ist als eine Verfilmung des letzten Teils der Recherche. Mittels einer raffinierten Erzählstruktur gelingt es dem Filmemacher, in kunstvollen »Rückblenden-Rösselsprüngen« (Der Spiegel) die Figuren, Motive und Sinneseindrücke der Vorlage zu verknüpfen wie im »Muster eines erlesenen Teppichs, das im wechselhaften Licht der Jahreszeiten und Stimmungen immer neue Liebschaften von Farbe und Form preisgibt« (Die Zeit). Mit Emmanuelle Béart, Catherine Deneuve, John Malkovich u. v. a.Kann man Prousts Roman verfilmen? »Raúl Ruiz ist es auf magisch wundersame Weise gelungen.« Süddeutsche Zeitung
Autorenporträt
Ruiz, Raúl§Raúl Ruiz, geboren 1941 in Puerto Montt/Chile, 1969 wurde er für seine Verfilmung von Guillermo Cabrera Infantes Drei traurige Tiger in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet Die Zeit bezeichnete ihn als »Legende im Kino des Eigensinns«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2011

Wie nützlich ist der Pomp
"Die wiedergefundene Zeit" von Raúl Ruiz nach Proust

Als Volker Schlöndorff 1983 "Eine Liebe von Swann" drehte, die erste Verfilmung zumindest eines Teils von Marcel Prousts Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" (Visconti hatte zehn Jahre zuvor schon ein fertiges Drehbuch, starb aber zu früh), besetzte er die Titelfigur Charles Swann mit Jeremy Irons. Dadurch bekam eine Person, zu der sich jeder Leser sein eigenes Bild gemacht hatte, ein berühmtes Gesicht verliehen - obwohl Irons damals noch nicht der Weltstar späterer Jahre war. Diese Konkretisierung machte das Zuschauen heikel, bisweilen geradezu unangenehm, als wollte da einer Proust bevormunden. Wobei Schlöndorff, der mit seinem "Swann" selbst nie glücklich geworden ist, sich damit trösten konnte, für die weibliche Hauptrolle der Odette de Crécy nicht den französischen Superstar Catherine Deneuve, sondern "nur" Ornella Muti ausgewählt zu haben, die 1983 im seriösen Fach ein weitgehend unbeschriebenes Blatt war. Die Deneuve soll über diesen Korb nicht amüsiert gewesen sein.

Anderthalb Jahrzehnte später bekam sie die Rolle der Lebedame Odette doch noch: in der Proust-Verfilmung "Die wiedergefundene Zeit" von Raúl Ruiz. Der verfügte über ein Ensemble, von dem Schlöndorff, hätte er es überhaupt gewollt, nur hätte träumen können: Emmanuelle Béart, Chiara Mastroianni, John Malkovich, Vincent Perez, um nur einige zu nennen. Der Schriftsteller Alain Robbe-Grillet hat einen Kurzauftritt als Edmond de Goncourt, und den Off-Erzähler, also Proust selbst, spricht kein Geringerer als der Regisseur Patrice Chéreau. Die Hauptrolle aber, jenen Mann, der im Roman als Beobachter im Mittelpunkt steht und den Ruiz bewusst unbestimmt zwischen Kunstfigur und Proust-Abbild changieren lässt, den spielt ein italienischer Akteur namens Marcello Mazzarella, ein Mann mit einer einzigen Eigenschaft: Marcel Proust täuschend ähnlich zu sehen.

Und es funktioniert, weil diesmal im Zentrum des Films eine Figur steht, von der man sich erst gar kein Bild gemacht hat. Die Unsichtbarkeit des Ich-Erzählers ist eine der Meisterleistungen von Proust, obwohl fast alles aus seiner Perspektive berichtet wird und wir aus den Stimmen der Gesprächspartner im Buch auch einiges über das Aussehen dieses Mannes erfahren. Die Gleichsetzung von Erzähler und Autor der "Recherche" ist aber so verführerisch, dass der Marcel im Film wie selbstverständlich in die aus den Fotografien Prousts bekannten Posen fallen kann, ohne dass das etwas Geschmäcklerisches hätte. Und die Schauspielprominenz um ihn herum wird von den aufwendigen Roben und Kulissen dieser mit fünfzig Millionen Francs damals ungewöhnlich teuren Literaturverfilmung derart kaschiert, dass man die vertrauten Gesichter kaum registriert - zumal in einem Bilderfeuerwerk, das kaum eine ruhige Sekunde zulässt.

Nicht, weil es hektisch zuginge, im Gegenteil: Geradezu schlafwandlerisch bewegt sich die Kamera durch die Soireen und Matineen, das nächtliche Paris und den sonnenbestrahlten Bois de Boulogne. Doch in jeder Einstellung ist irgendeine neue Anspielung auf ein Detail aus dem vieltausendseitigen Buch versteckt. Und dann fangen auch noch die Kulissen an, sich langsam zu bewegen, oder in der großen Konzertszene im Salon der Verdurins lässt der chilenische Regisseur die Zuhörergruppen auf Schienen so bewegen, dass die Bilder ins Schweben kommen und jeden Realitätsbezug verlieren.

Auf diese Weise hat Ruiz die bislang einzige einleuchtende Methode gefunden, Proust zu verfilmen: als Stimmungsbild, in dem die Farben und Klänge des Buchs sich ein synästhetisches Stelldichein auf der Leinwand geben. Er hat auch im Gegensatz zu Schlöndorff oder Chantal Akermann ("Die Gefangene", 2000) das ganze Riesenwerk für die Adaption herangezogen - auch wenn der Titel suggeriert, es gehe nur um den Abschlussband. Aber es sind Szenen aus allen weiteren sechs Teilen vertreten, ja selbst aus von Proust verworfenen Episoden haben sich Ruiz und sein Ko-Drehbuchautor Gilles Taurand bedient. Und für die Schlusssequenz am Strand von Balbec, einem elegant-elegischen Todesreigen, haben sie gar einen Text ausgewählt, der gar nicht von Proust stammt, sondern eine Erzählung von Karen Blixen paraphrasieren soll, die einen Künstler im Sterbemoment porträtiert.

Auf den Tod und das Überleben im Werk hat Proust hingearbeitet, doch er starb, bevor er sein Chef d'oeuvre zu Ende schreiben konnte. Der letzte Band, "Die wiedergefundene Zeit", ist deshalb in seiner heutigen Gestalt eine Annäherung. Es mag diesem Charakter der Vorlage zu verdanken sein, dass die fragmentarische Form des Films von Ruiz geradezu kongenial erscheint.

ANDREAS PLATTHAUS

Raúl Ruiz: "Die wiedergefundene Zeit"

Filmedition Suhrkamp. 162 Min. Extras: Fernsehdokumentation von 2001, sechzigseitiges Booklet mit Essay und Interview.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ruiz [hat] die bislang einzige einleuchtende Methode gefunden, Proust zu verfilmen«
Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.03.2011