Als sein Hausarzt Wah unmissverständlich klar macht, dass er nur noch einen Monat zu leben habe, rennt ihm die Zeit davon. Ein Gut, dass für den Profikiller purer Luxus geworden ist und den Rest davon nutzt, um offene Rechnungen zu begleichen und mit ausgeglichenem Kontostand abzutreten. Seine Talente münzt er um, in dem er in der Unterwelt gnadenlos aufräumt und als erstes Boss Chan bluten lässt, den er für den Tod seines Vaters verantwortlich macht. Der anfängliche Rachefeldzug weitet sich zur Säuberungsaktion aus, die Inspektor Sang wohlwollend beobachtet und sich nicht zu schade ist, sich im unkonventionellen Kampf gegen das Verbrechen selbst die Hände schmutzig zu machen.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Booklet - Textinfos zu Cast und Crew - Far East Special (Texttafeln) - Audiokommentar mit FotosDrei neue Filme des Hongkong-Regisseurs Johnnie To im "Forum"
Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen. Behende bewegt er sich über den Dächern von Hongkong. Für die Polizei legt er falsche Fährten. Die Verfolger stolpern über Bomben, die nicht zünden, sie verirren sich in den Innereien eines Hochhauses und haben vor allem intellektuell das Nachsehen: Der glamouröse Verbrecher Wah (Andy Lau) ist immer einen Gedanken voraus. Die Scharaden haben ein tragisches Motiv: Wah stirbt langsam. "Aum jin / Running Out of Time" lautet der Titel eines neuen Films des Hongkong-Regisseurs Johnnie To.
Seine letzten Tage verwendet Wah auf eine komplizierte kriminelle Inszenierung, in der ein Hehler, eine Frau und ein Polizist Hauptrollen spielen - der Hehler als Opfer, die Frau als Passantin, der Polizist als unfreiwilliger Komplize. "Running Out of Time" ist in bläuliche Farbtöne getaucht wie Michael Manns Thriller "Heat", in dem Robert De Niro und Al Pacino einander in ein vergleichbares Katz-und-Maus-Spiel hetzten.
Der Hollywood-Film fungiert gleichwohl nicht im strengen Sinn als Vorbild, eher als Wahlverwandtschaft in Johnnie Tos Hongkong-Film, der eine Reihe bekannter Genre-Motive verwendet (auch die "Stirb langsam"-Reihe wird zitiert), sie aber mit typischen Verfahrensweisen des Hongkong-Kinos verändert: Die Geschichte vom sterbenden Racheengel wird romantisch überhöht und visuell intensiviert. "Running Out of Time" ist ein Produkt des politischen Übergangs in Hongkong, stark nach Formel gearbeitet, aber nicht ohne Anspielungen auf die Aktualitäten.
Deutlicher manifestiert sich die zwiespältige Befindlichkeit allerdings in den beiden weiteren Filmen, die Johnnie To 1999 veröffentlichte: "Zaijian a lang / Where a Good Man Goes" und "Cheung Fo / The Mission". Seit der britische Prinz Charles Hongkong 1997 an die Volksrepublik China überantwortete, hat die frühere Kronkolonie vor allem durch technische Widrigkeiten bei der Eröffnung des neuen Flughafens und durch Börsenturbulenzen von sich reden gemacht. Die lokale Filmindustrie sah sich von beiden Ereignissen betroffen: Durch den ins Meer gebauten Flughafen verlor sie ein spektakuläres Motiv in Gestalt der Maschinen, die beim Landeanflug nicht selten auch vor die Kamera eines gerade in den Straßenschluchten der Stadt drehenden Filmemachers gerieten. Durch die Wirtschaftskrise büßte sie trotz ihrer angeblich guten Beziehungen zum informellen Sektor an Volumen ein. Die berufliche Abwanderung von Starschauspielern wie Chow Yun-fat (mit dem Johnnie To 1988 "The Eighth Happiness" drehte) oder Regisseuren wie John Woo und Tsui Hark in die Vereinigten Staaten betraf aber vor allem eine im Westen bereits etablierte Gruppe von innovativen Spitzenkräften. Am Ort blieben avantgardistischer orientierte Außenseiter wie Wong Kar-wai oder Talente wie Fruit Chan, der mit "Made in Hongkong" und vor allem "The Longest Summer" (vergangenes Jahr im Forum der Berlinale zu sehen) die Gegebenheiten der politischen Veränderungen mit den Konventionen des Gangsterfilms versöhnte.
Das Männerkollektiv aus abgerüsteten Soldaten der britisch-chinesischen Garde in "The Longest Summer" ist den fünf Leibwächtern verwandt, die in Johnnie Tos "Cheung Fo / The Mission" den Mordanschlag auf einen Triadenführer aufklären sollen. Mit diesen Figuren unterschiedlicher Herkunft findet ein profanes Element Eingang in die stark ritualisierte Welt der Triaden. Drei der fünf Männer hatten sich schon aus dem Gangsterleben zurückgezogen. Ihre Aufgabe muss ihnen wie ein zivilisatorischer Rückfall erscheinen. Der Konflikt entsteht daraus, dass die unfreiwillig zu einer Mission verbundenen Männer einander zu schätzen beginnen. Das Triadenleben aber ist destruktiv.
Ironisch zugespitzt wird diese Konstellation in "Where a Good Man Goes", mit dem Johnnie To einen sehr persönlichen Tonfall findet. Ein eben aus der Haft entlassener Gangster findet in einem "International Inn" in Macao Unterschlupf und freundet sich mit der Inhaberin, einer allein erziehenden Mutter aus Festlandchina, an. Lau Ching-wan, ein Lieblingsschauspieler von Johnnie To, spielt den nach dem langen Gefängnisleben in der Freiheit recht unsteten Einzelgänger. Lau humanisiert den Gangster durch Komik, und auch Johnnie To amüsiert sich durch eine ironische Montage über das durcheinander geratene Koordinatensystem eines Mannes, der seine neuen Werte erst finden muss. Die früheren Freunde aus der Bande sind endgültig zu lächerlichen Gestalten geworden, die am Ende in des Kaisers neuen Kleidern zusehen müssen, wie ein zum Leben in Freiheit Verurteilter aus ihrer Ordnung entflieht. Die neuen Filme des Johnnie To mögen nicht an überragende Meisterwerke wie John Woos "A Better Tomorrow" heranreichen, aber sie erweisen den Regisseur als legitimen Nachfolger in einer großen Tradition.
BERT REBHANDL
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