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Als Sammy und Terry acht Jahre waren, verloren sie ihre Eltern durch einen Unfall; danach entwickelten sich die Leben der Geschwister auseinander. Terry - sorglos, wagemutig und egozentrisch - wurde ein Herumtreiber ohne Verantwortungsgefühl. Sammy, inzwischen allein-erziehende Mutter ihres Sohnes Rudy, ist in ihrer Heimatstadt geblieben, jobt unglücklich bei der Bank und hat auch noch eine Affäre mit ihrem verhassten Chef angefangen. Als Terry unvermutet auftaucht, bringt er die Leben von Sammy und Rudy gehörig aus der Balance...
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl
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Produktbeschreibung
Als Sammy und Terry acht Jahre waren, verloren sie ihre Eltern durch einen Unfall; danach entwickelten sich die Leben der Geschwister auseinander. Terry - sorglos, wagemutig und egozentrisch - wurde ein Herumtreiber ohne Verantwortungsgefühl. Sammy, inzwischen allein-erziehende Mutter ihres Sohnes Rudy, ist in ihrer Heimatstadt geblieben, jobt unglücklich bei der Bank und hat auch noch eine Affäre mit ihrem verhassten Chef angefangen. Als Terry unvermutet auftaucht, bringt er die Leben von Sammy und Rudy gehörig aus der Balance...

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2001

Bleiben oder gehen
Ernüchternde Bilanz einer Geschwisterliebe: Kenneth Lonergans Film "You Can Count on Me"

Wer in einem beschaulichen Provinznest leben will, muß die charakterlichen Voraussetzungen dafür mitbringen. Besonders in Amerika: Außerhalb der Schmelztiegel beginnt der Biedersinn. So weit das Land, so eng die Welten, in denen Menschen auf der Suche nach Geborgenheit näher zusammenrücken, als gut für sie sein kann. Auch in Scottsville ist das so, einer Kleinstadt bei New York, in der die Geschwister Sammy und Terry zu Hause sind. Doch selbst an einem solchen Ort ist die Welt nicht immer heil. Das macht der Bühnenautor Kenneth Lonergan in seinem Regiedebüt, dem an Zwischentönen und Lebensklugheit reichen Film "You Can Count on Me", schon mit der erzählerischen Ausgangslage klar: Durch einen Unfall haben Sammy und Terry früh ihre Eltern verloren.

Das gemeinsam erlittene Schicksal ist es, was die Geschwister auch später noch zusammenhält - trotz mittlerweile äußerst unterschiedlicher Lebensformen, in ihrer Gegensätzlichkeit ein Spiegelbild der existentiellen Wahl, vor die eine Kleinstadt zwangsläufig ihre Bürger stellt. Wessen Freiheitsbedürfnis die mitunter erdrückende Kehrseite der sozialen Solidarität nicht toleriert, wer daher nicht bleiben und sich anpassen kann, dem steht nur ein Weg offen: weggehen und das eigene Leben leben.

Den Part der Angepaßten weist Lonergan der braven Sammy zu, die er zugleich mit allen äußeren Attributen des Guten ausstattet. Während Mark Ruffalo als ihr Bruder Terry mit wirren dunklen Locken ein wenig apathisch durchs Leben taumelt, ein Sinnbild der (auch gegen sich selbst gerichteten) Destruktivität, ist die von Laura Linney sympathisch natürlich gespielte Sammy engelhaft blond, das halblange Haar adrett gescheitelt und im Pferdeschwanz gebändigt. Die patente, konstruktiv das Leben anpackende junge Frau lebt nach wie vor im Haus der Eltern, arbeitet in einer Bank, geht sonntags in die Kirche, ist bei den Mitbürgern wohlbekannt und wohlgelitten. Damit sind die Bilderbuchseiten ihrer langweilig-geborgenen Existenz allerdings erschöpfend beschrieben. Denn solche Klischees konstruiert der Regisseur nur, um sie im folgenden wieder zu brechen - bis daraus das Leben entsteht. Sammys Dasein ist durchaus nicht zu brav, um wahr zu sein. Sie lebt als alleinerziehende Mutter - ein Makel, der aber im Rahmen dessen bleibt, was die Bewohner einer amerikanischen Kleinstadt tolerieren.

Terry, Sammys charmanter kleiner Bruder Leichtfuß, ist ausgebrochen aus der ihm unerträglichen Enge von Scottsville. In seinem ungebundenen Leben setzt er Spontaneität mit Unstetigkeit gleich. Heute hier, morgen dort - mit Gelegenheitsjobs an wechselnden Orten schlägt er sich ziellos durchs Leben, gerät in Konflikt mit dem Gesetz und mit den Frauen, und wenn es finanziell einmal gar nicht mehr weitergeht, pumpt er seine Schwester an. Doch beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf, selbst im Fall von Geschwistern: weil irgendwann nicht mehr zu trennen ist zwischen Zuneigung und Taktik, zwischen Erpressung und Bitte, zwischen Großzügigkeit und Bestechung. Da fragt sich: Wie stark sind geschwisterliche Bande, was halten sie aus? Kann man wirklich immer auf sie zählen, wie es der Filmtitel verspricht?

Auch wenn die Antwort darauf zwangsläufig von den Akteuren abhängt und insofern eine individuelle sein muß, kommt Kenneth Lonergans Film einem Lehrstück darüber gleich, daß nichts ewig ist im Leben, daß die Zeit auch die wichtigsten, innigsten Beziehungen einer steten Neubewertung unterzieht - und daß das richtig so ist. Als Terry wieder bei Sammy aufkreuzt, um sich Geld zu besorgen, tritt der Konflikt zwischen den jeweiligen Bedürfnissen der Geschwister vor dem Hintergrund unterschiedlicher Lebensentwürfe in aller Deutlichkeit zutage. Während Terry von seiner Schwester nur den klaglosen Gang zum Geldautomaten erwartet und sie ansonsten weiter aus seinem Alltagsleben herauszuhalten gedenkt, hofft sie auf emotionale Gegenleistung. Sie wünscht sich, daß ihr Bruder fortan in Scottsville bleibt und ihrem achtjährigen Sohn Rudy zumindest als Onkel die männliche Gegenwart des Vaters ersetzt, der sich schon vor der Geburt des Kleinen aus dem Staub gemacht hat.

Mehr von den Umständen gezwungen als von Überzeugung getrieben, läßt sich Terry darauf ein, und zunächst geht auch alles gut. Der aufgeweckte, ein wenig altkluge kleine Rudy - Rory Culkin ist großartig in seiner ersten Hauptrolle - erhält durch den angebeteten Onkel Zutritt zur Welt wahrer Männer. Er lernt, wie man mit dem Hammer Nägel ins Holz treibt und mit dem Queue Billardkugeln ins Loch. Terry behandelt seinen Neffen wie einen Erwachsenen, nimmt ihn unter dem Siegel der Verschwiegenheit nächtens sogar mit in die Kneipe, bis dem kleinen Mann die Augen zufallen. Solcherlei Abenteuer verbinden.

Auch Sammy tut Terrys Gegenwart gut. Durch sein chaotisches Vorbild lernt auch sie, Zwänge abzuschütteln, sich ihrer Wünsche bewußt zu werden und das Leben beschwingt anzugehen, ohne sich von des Gedanken Blässe übermäßig ankränkeln zu lassen. So wird sie stark genug, den verspäteten Heiratsantrag ihres entscheidungsschwachen Gefährten Bob abzulehnen, ohne ihm die Freundschaft zu kündigen. So leichtherzig wie leichtsinnig folgt sie dem Lauf der Dinge, als sich ihr autoritär auftrumpfender Chef Brian eines Abends bei ihr über seine Ehe ausweint und auf einmal, aller erbitterten beruflichen Fehden zum Trotz, gar keine Zurückhaltung mehr kennt. Die Frivolität dieser Liaison gibt Sammy Auftrieb. Daß Brian, den Matthew Broderick als Karikatur des Karrieristen amüsant überzeichnet, das Abhängigkeitsverhältnis jederzeit ausnutzen und sie entlassen kann, wenn sie ihm einmal lästig wird, nimmt Sammy sorglos in Kauf.

Doch diese neue Lockerheit ist nicht von Dauer. Nicht nur kommt die Kündigung. Schlimmer noch: Im Bemühen, den anderen auf den richtigen Pfad zu führen, überspannen beide Geschwister den Bogen - Sammy, indem sie den Pfarrer herbeizitiert, der dem Bruder ein Lebensziel ins Gewissen reden soll, und Terry, indem er die Erziehungsgrundsätze der Schwester mit Füßen tritt und Rudy dem Trauma seines Lebens aussetzt. Nach einem Eklat reist Terry ab. Als er verspricht, regelmäßig zu schreiben, tönt das hohl. Die Bilanz einer Geschwisterliebe ist ernüchternd: Das Versprechen, immer aufeinander zählen zu können, bleibt relativ. Denn wenn zwei Menschen aneinander hängen, garantiert das nicht, daß sie ihre Verbindung auch im Alltag leben können. Emotionale und räumliche Nähe sind nicht dasselbe. Das gilt nicht nur für Geschwister.

KAREN HORN

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