Krimitipp Oktober: James Kestrel, „Bis in alle Endlichkeit“James Kestrel hat mit seinem Thriller „Fünf Winter“ hochkarätige Krimipreise abgeräumt, etwa den renommierten Barry Award 2022 oder den Deutschen Krimipreis 2023. Kritiker vergleichen ihn mit Don Winslow oder gar mit Raymond Chandler. Seine Thriller sind so gut, dass sie sogar Menschen gefallen, die sonst eher keine Bücher aus dem Genre „Crime“ lesen. Auch „Bis in alle Endlichkeit“. Ist wieder ein verdammt guter Thriller geworden – und hat mit Privatdetektiv Leland Crowe, genannt „Lee“, einen herrlich zwielichtigen Ermittler.
Lee war mal ganz oben, als er mit der steinreichen Juliette Vilatte verheiratet war, nun ist er deutlich weiter unten. Kämpft oft genug darum, dass am Ende des Monats auch noch Geld da ist. Aber gerade hat er eine gute Phase. Er ermittelt für den Strafverteidiger Jim Gardner in einem der üblen Stadtteile von San Francisco, Tenderloin. Sein Posten: ein schäbiges Hotelzimmer. Seine Nachbarn: eine Prostituierte in Altersteilzeit und ein Junkie. Lee ist auf einen Zeugen angesetzt, der unter ihm im Hotel eine bewachte Bleibe hat.
Doch dann knallt ihm etwas anderes direkt vor die Nase. Der Fall, der Lee in „Bis in alle Endlichkeit“ fast das Leben kostet, liegt tot auf dem Dach eines Rolls-Royce Wraith: eine junge Frau, bildschön, mit einem teuren Cocktailkleid bekleidet. Ein merkwürdiger „Fund“, den Lee da macht. Diese abgerissene Ecke der Stadt, dann ein Rolls-Royce und darauf eine Tote, offenbar aus bester Gesellschaft. Hier stimmt etwas nicht. Lee, der fast keine Gelegenheit auslässt, schnelles Geld zu verdienen, macht Fotos von der Frau. Er weiß noch nicht, dass es sich bei ihr um Claire Gravesend handelt, die Tochter von Olivia Gravesend – und die ist unfassbar reich an Einfluss und Geld.
Die Fotos verkaufen sich gut. Klar. Doch dann will Olivia Gravesend Lee Crowe sprechen. Sie ist eine Klientin von Jim Gardner, seit Ewigkeiten. Und wenn selbst Jim Gardner, wie Lee gerissen und mit allen Wassern gewaschen, vor dieser Olivia warnt, dann heißt das etwas. Sie sei „absolut rabiat“, und Lee dürfe ihr niemals, wirklich niemals, vertrauen. Lee Crowe ist gut, natürlich ist er das. Sonst würde Jim Gardner ihn nicht weiterempfehlen. Und noch etwas hat Jim über ihn gesagt: Er sei schnell von Begriff und würde tun, was immer nötig sei. Genau so jemanden braucht Olivia Gravesend.
Lee macht sich auf den Weg zu ihr nach Carmel. Dort wohnen Menschen mit viel Geld, besser gesagt, sie residieren in Häusern mit sechs Kaminen, und es duftet nach Lavendel und Eukalyptus. Und natürlich ist dieses Haus nur ein Sitz der Familie, es gibt, auf der ganzen Welt verstreut, an jedem bedeutenden Ort ein „Pied-à-terre“, eine Gravesend-Basis. Olivia Gravesend scheint eine liebende Mutter zu sein. Denn Lee Crowe soll, na klar, aufklären, warum Claire Gravesend tot ist. Denn vor ihrem Tod brach plötzlich der Kontakt zu ihrer Mutter Olivia ab. Telefonisch war Claire nicht mehr zu kontaktieren. Briefe erreichten Olivia, darin schrieb Claire ihr, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Sie müsse etwas erledigen. Immer mehr hätte sich ihre Tochter zurückgezogen. Und dieser Prozess fing an, als sie mit 18 nach Boston zog.
Lee weiß nicht recht, was er von Olivia Gravesend halten soll. Die Warnung von Jim Gardner hat er nicht vergessen, und dennoch glaubt er ihr irgendwie, der Mutter, die ihre Tochter geliebt hat. Olivia traut den Behörden nicht, denn wenn selbst sie, die „eiserne Zicke“, die die Hälfte der Amtsträger in der Hand hat, nichts erfährt, dann muss Claire in etwas Großes hineingeraten sein.
Wie groß, das wird Lee Crowe schnell am eigenen Leib erfahren. Seine Ermittlungen führen ihn zunächst nach Boston, und schon dieser Trip endet fast tödlich für ihn. Ein Profikiller. Doch Lee schafft es mit Glück. Danach stößt er bei den Fotos, die die Gerichtsmedizin von Claire gemacht hat, auf etwas Grauenvolles. Vom Hinterkopf abwärts sind Reihen von alten Wunden zu erkennen, ein Paar pro Rückenwirbel. Was diese Entdeckung zu bedeuten hat, wissen weder Lee noch Olivia. Doch dann begegnet Lee Crowe einer Frau, die genau wie Claire aussieht und ebensolche Narben hat. Sie heißt Madeleine, und ihr Leben ist in Gefahr. Warum, das muss Lee Crowe herausfinden. Mit wem er es aber da zu tun hat, das ahnt er nicht. Menschen, die über Leichen gehen. Und Lee steht ihnen verdammt nochmal im Weg ...
Ein Trip, höllisch und böse, blutig und albtraumhaft – und Lee Crowe muss mittendurch. Eine absolute Leseempfehlung.
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