Lieber verrückt als einer von euch
Zunächst ist es bei diesem Roman sicherlich das psychedelische Cover, das einen wortwörtlich sofort ins Auge sticht. Es verbindet den Titel und den Inhalt des Buchs sehr anschaulich und sorgt für Unruhe beim Betrachten.
Aus der Ich-Perspektive wird
die gesamte Familiengeschichte erzählt, das Aufwachsen der Mutter, die Vergangenheit des Vaters,…mehrLieber verrückt als einer von euch
Zunächst ist es bei diesem Roman sicherlich das psychedelische Cover, das einen wortwörtlich sofort ins Auge sticht. Es verbindet den Titel und den Inhalt des Buchs sehr anschaulich und sorgt für Unruhe beim Betrachten.
Aus der Ich-Perspektive wird die gesamte Familiengeschichte erzählt, das Aufwachsen der Mutter, die Vergangenheit des Vaters, Einblicke in die Welt der Großmutter und der Entstehungs-/Schaffensweg des Erwachsenen Erzählers. Sowohl die Figur im Roman als auch der Autor Leon Engler haben einige Parallelen, zumindest in Ausbildung und Beruflicher Laufbahn (Theaterwissenschaften und Psychologie), sowie Lebensorte, wodurch wohl ein autobiografischer Aspekt vorhanden ist.
Ich finde gerade den Aufbau zu Beginn mit Rückblick auf die Familiengeschichte und ihre "Biografie des Wahnsinns" und den folgenden Eintritt des Erzählers in die Psychiatrie, aber als Psychologe, äußerst gelungen. In seiner anschließenden Arbeitszeit dort, wechselt er mehrmals die Stationen:
Ein grausamer Blick in die (wahrhaftige) Realität von Schizophrenen und ihre eigentliche Einsamkeit,
die tiefste Traurigkeit und die für sie anders vergehende Zeit der Depressiven und in der Entzugsabteilung das ständige Problem nicht abzustumpfen, dem Zynismus und der Verbitterung zu verfallen, aufgrund der unumgänglichen Rückfälle der Patienten.
Der Titel des Romans erschließt sich im Laufe der Handlung, da Pflanzen ständige Begleiter des Hauptprotagonisten sind und die ersten Einteilungen der psychischen Erkrankungen sollen nach dem gleichen Prinzip wie die, der Präzision der Botanik von Pflanzen erfolgt sein(Thomas Sydenham).
Der Schreibstil hat definitiv einen sehr zynischen, vielleicht sarkastischen Touch mit ein wenig Wiener "Schmäh" und Insidern, die man wahrscheinlich nur versteht, wenn man einige Zeit in Wien gelebt hat (z.B. die viele Nackte auf der Bühne des Burgtheater oder der Narrenturm).
In kursiver Schrift sind zahlreiche Zitate von verschiedenen Werken von etwa Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud oder Arthur Schopenhauer eingebaut, die am Ende des Buchs im "Notizbuch des Nachbarn" als Literaturnachweis aufgelistet sind.
Zudem stellen sich zahlreiche rhetorische Fragen, die zur Selbstreflexion anregen und das Mensch-sein an sich hinterfragen ("Was war ein richtiger Mann? Was ist ein richtiger Vater? War es das Nichts-tun, das sie so lähmte? Weil die Sucht ein Destillat einer unstillbaten Sehnsucht ist?").
Eine besondere Eigenheit ist der morbide Humor, bei dem das Sprichwort "zu lachen um nicht weinen zu müssen" wie die Faust aufs Auge passt, so beschreibt er z.B. Liebe auf den ersten Blick als Lobotomie. Aber es ist genau dies und die ausgewählte, schöne deutsche Sprache, die diesen Roman zu etwas sehr Besonderem machen.
Fazit: Empfehlenswert ist dieser Roman in meinen Augen vorallem, wenn man selbst aus dem Fach Psychologie kommt.