Schon mit dem ersten Abschnitt hat mich das Buch überrascht, weil es vielschichtiger war, als ich zunächst erwartet hatte. Man lernt A. J. als verschlossenen, mürrischen Buchhändler kennen, der nach dem Tod seiner Frau völlig aus der Bahn geworfen wurde. Szenen wie seine Alkoholabstürze oder die
Vision seiner verstorbenen Frau verdeutlichen seine Zerrissenheit und Einsamkeit. Gleichzeitig mochte…mehrSchon mit dem ersten Abschnitt hat mich das Buch überrascht, weil es vielschichtiger war, als ich zunächst erwartet hatte. Man lernt A. J. als verschlossenen, mürrischen Buchhändler kennen, der nach dem Tod seiner Frau völlig aus der Bahn geworfen wurde. Szenen wie seine Alkoholabstürze oder die Vision seiner verstorbenen Frau verdeutlichen seine Zerrissenheit und Einsamkeit. Gleichzeitig mochte ich die bissigen, zwischen die Kapitel gestreuten Rezensionen, die A. Js zynischen, aber scharfsinnigen Blick auf Literatur zeigen – und die eigentlich für Maya bestimmt sind.
Mit Mayas Auftauchen verändert sich A. Js Leben grundlegend: vom grummeligen Einzelgänger entwickelt er sich Schritt für Schritt zu einem Menschen, der Verantwortung übernimmt und sich kümmert. Ich fand es bewegend zu sehen, wie schnell er eine Verbindung zu ihr aufbaut. Auch die Nebenfiguren bereichern die Geschichte – etwa Ismay mit ihrem Schmerz oder Lambiase, der Polizist, mit dem A. J. eine unerwartete Freundschaft knüpft. So wird die Insel lebendig und die Gemeinschaft greifbar. Besonders gelungen fand ich auch die neue Nähe zu Amy, die anfangs noch skeptisch wirkt, dann aber eine ganz besondere Rolle in A. Js Leben einnimmt.
Die schnellen Zeitsprünge waren für mich zwar gewöhnungsbedürftig, doch sie verleihen der Geschichte Dynamik. Beeindruckt hat mich, dass Gabrielle Zevin es auf relativ wenigen Seiten schafft, so viele Charaktere zum Leben zu erwecken, dass sie einem wirklich ans Herz wachsen. Sehr schön war auch, dass Lambiase und Ismay schließlich zusammenkommen und die Buchhandlung übernehmen – das wirkte stimmig, auch wenn es mir stellenweise zu zackig erzählt war.
Besonders schade fand ich, dass A. Js Beerdigung kaum erwähnt wurde. Gerade nach seiner Entwicklung und all den Beziehungen, die er aufgebaut hat, hätte eine ausführlichere, rührende Szene den Abschluss noch intensiver und emotionaler gemacht. Auch generell hätte das Buch an einigen Stellen ein paar Seiten mehr vertragen, um gewisse Entwicklungen natürlicher wirken zu lassen.
Sehr berührt hat mich wiederum, wie facettenreich die Liebe zu Büchern dargestellt wurde. Jeder Charakter drückt sie auf seine ganz eigene Weise aus – durch Leidenschaft, Skepsis oder persönliche Vorlieben. Genau das macht deutlich, wie individuell und bedeutsam Geschichten für Menschen sein können.
Der Schreibstil ist leicht, flüssig und teilweise ironisch – man fliegt nur so durch die Seiten. Ich habe das Buch sehr schnell gelesen und mochte es, wie viel Schönes, Trauriges, Überraschendes und Bewegendes auf so kurzer Strecke passiert.
Insgesamt ist Das erstaunliche Leben des A. J. Fikry für mich ein berührendes, vielschichtiges und zugleich leicht zu lesendes Buch, das von seiner besonderen Figurenzeichnung und der spürbaren Liebe zu Büchern lebt. Kleine Kritikpunkte bleiben, doch das Herz, die Wärme und die Botschaft der Geschichte überwiegen eindeutig.