Ich war neugierig genug das Buch in die Hand zu nehmen. Es zeigt einen alten Mann, der seinen Weg durch wuchernde Blätter geht, langsam ein wenig verloren, suchend, wie Robinson Crusoe, ohne die Kraft der Jugend, ohne einen Freund.
Schaut man zu lange darauf spürt man den Druck des aufstrebenden
Grüns, wie es den Wanderer einschließen will. Der Mann scheint es nicht zu bemerken. Unbeirrt läuft…mehrIch war neugierig genug das Buch in die Hand zu nehmen. Es zeigt einen alten Mann, der seinen Weg durch wuchernde Blätter geht, langsam ein wenig verloren, suchend, wie Robinson Crusoe, ohne die Kraft der Jugend, ohne einen Freund.
Schaut man zu lange darauf spürt man den Druck des aufstrebenden Grüns, wie es den Wanderer einschließen will. Der Mann scheint es nicht zu bemerken. Unbeirrt läuft er weiter. Ich denke: Jemand sollte ihm den Weg frei machen, damit er nicht verloren gehen kann.
Arno Geigers Buch „ Der alte König in seinem Exil“,
ein Bestseller. Leicht liest es sich, leicht und originell, sind die Dialoge zwischen Vater und Sohn, jeweils am Beginn eines Abschnitts der 188 Seiten, oder im biographisch, erzählten Text eingestreut. Leicht kommt es daher und wird wohl darum gern angenommen, gelobt. Es ist Lebensgeschichte des an Demenz erkrankten Vaters.
Demenz, eine Bedrohung, die ein Markenzeichen des „zu lange lebenden Menschen“ geworden ist, die eine Sozialindustrie entstehen lässt und dem Arbeitsmarkt dient.
Demenz, ein Aufruf an den Leser das eigene Leben zu reflektieren!
Arno Geiger ließ sich Zeit, um das Bild seines Vaters zu zeichnen, ein Vater, der dem Leben nie auswich, sondern zupacken konnte, zupacken als würde es immer so weiter gehen, kraftvoll im Alleingang neben seiner jungen Frau, der Mutter seiner Kinder.
Familie war ihm wichtig. Er brauchte sie für seine Geborgenheit. Wie viele andere, der vom 2. Weltkrieg Traumatisierten, hatte er in der Erinnerung an Ausgeliefertsein und Ohnmacht, das Gefühl für Geborgenheit und Vertrauen verloren.
„Meinen Eltern, so Arno Geiger ( S. 81), war vor der Hochzeit nicht in den Sinn gekommen, was passiert, wenn zwei unterschiedliche Vorstellungen vom Glück aufeinandertreffen. Die Zutaten vom möglichen Glück brachten beide mit. Doch bei näherer Betrachtung...“
Später auf S. 88 / 89:
„Wenn jemand wissen wollte: „Wo ist Papa?“ /Hieß es meistens: / „Vermutlich in der Werkstatt.“ /
„Was tüftelt er wieder aus?“ / „Irgendeinen Blödsinn.“
Sie fühlten sich trotz des Vaters Abwesenheit, wenn auch nur in seiner Werkstatt, gestört.
Dann gesteht der Sohn:
„Sogar meine anfänglichen Gefühle, als der Vater krank wurde, folgten diesem Muster – ich dachte, ich möchte nicht, dass sich der Vater mittels einer Krankheit in die Abwesenheit zurückzieht und gleichzeitig aus der Abwesenheit heraus mein Leben beeinträchtigt...“
S. 89
Geiger beschreibt es als ein anfängliches Gefühl, das sich ihm aufdrängte. Was aber, wenn es nicht erforschtes Wissen ist? Mit Tilman Jens, der in seinem Buch „Demenz“ seine Gedanken öffnete, ging man sehr empört um.
Arno Geigers Buch entgeht dieser Kritik. Sein Buch über den Vater, ist eine biografische Skizze, die an den Kreislauf des Lebens erinnert, an Kommen und Gehen, vom aneinander vorbeisehen.
Die junge Frau verlässt den Vater.
„Nach vielen Jahren der Trennung und der Selbständigkeit hat ihm seine Frau die missglückte Ehe verziehen.“ S.186
Durch die Diagnose, Demenz, wird der Vater gezwungen seine Selbstbehauptung aufzugeben, sich anzupassen, um vielleicht Frieden zu finden.
Er bleibt ein einsamer König, der mit seinem Überlebensmuster im Altenheim angekommen ist.
„Im Altenheim“, so der Sohn,“ ist nicht mehr viel zu erwarten - kleine Annehmlichkeiten -lachende Gesichter - herumstreichende Katzen- ein gelungener Scherz - . Mir gefällt es, dass die Menschen, die hier wohnen, aus der Leistungsgesellschaft befreit sind. S.187
So also ist das Paradies für das Alter, frage ich mich nachdenklich.
Wer die neu gefundene Zuneigung eines Sohnes zu seinem Vater spüren will, sollte an einer Lesung Arno Geigers teilnehmen.
Jede noch so gut gemeinte Rezension verblasst, wenn der Sohn selbst von seinem Vater erzählt.
„Der alte König in seinem Exil“, eine Geschichte vom Sohn, vom Zeithaben, Zuhören, wenn der andere seine Geschichte erzählt und sie so vor dem Verlorengehen bewahrt wird.
© Margarete Noack