Mein Hör-Eindruck:
Auf den Frauen der Familie Falodun liegt ein Fluch. Seine Herkunft ist schnell erklärt: Vor einigen Generationen verfluchte die Ehefrau Nr. 1 die Ehefrau Nr. 2 aus Eifersucht, und seitdem leben die Frauen der Familie Falodun ohne Männer, sie erleben Enttäuschungen und ziehen ihre
Kinder allein auf.
Die Autorin nimmt uns mit in ihre Heimat Nigeria, nach Lagos. Wir tauchen ein…mehrMein Hör-Eindruck:
Auf den Frauen der Familie Falodun liegt ein Fluch. Seine Herkunft ist schnell erklärt: Vor einigen Generationen verfluchte die Ehefrau Nr. 1 die Ehefrau Nr. 2 aus Eifersucht, und seitdem leben die Frauen der Familie Falodun ohne Männer, sie erleben Enttäuschungen und ziehen ihre Kinder allein auf.
Die Autorin nimmt uns mit in ihre Heimat Nigeria, nach Lagos. Wir tauchen ein in ein patriarchalisches System und in eine Gesellschaft, in der Geisterglaube bzw. Spiritualität noch ihren eigenen Stellenwert hat. Über mehrere Generationen hinweg verfolgt der Roman die Auswirkungen des Fluchs, wobei er zwei Frauen deutlich in den Mittelpunkt rückt: Monife, die ihr Leben im Meer beendete, und ihre Nichte Enniyi, die am Tag ihres Todes geboren wurde. Die Nichte ähnelt ihrer Tante so sehr, dass sie als Inkarnation betrachtet wird. Hier öffnet sich das eigentliche Thema des Romans: die Frage nach der eigenen Identität in einer patriarchalischen Gesellschaft, die jeder Frau einen festen Platz zuweist.
Enniiyi kehrt zwar nach dem Studium wieder in das Haus ihrer Großmutter und Mutter zurück, aber sie verweigert sich der Zuweisung einer festen Rolle und damit auch der Vorstellung einer Reinkarnation. Sie beharrt auf ihrer eigenen Autonomie. Dazu gehört auch, dass sie die Angst der Familie vor dem Wasser beendet und in unendlich vielen Schwimmstunden sich die Herrschaft über das Wasser erobert. Hier spielt die Autorin eindrucksvoll mit der Metapher Wasser, das sie als Bild für den Fluch, aber auch als Bild für die gesellschaftliche Determiniertheit der Frau einsetzt. An anderen Stellen aber „verwässert“ die Metapher leider. Wenn sich z. B. in Monifes ehemaligen Zimmer ein feuchter Fleck zeigt, dann verliert die Metapher ihre Wucht und wird banal. Trotzdem: Ennniyi schwimmt sich buchstäblich frei, und damit verliert auch der Fluch seine Wirkung.
Da der Fluch sich auf das Liebesleben der Falodun-Frauen bezog, handelt der Roman fast ausschließlich von Liebesfreud und mehr noch Liebesleid. Ob das die Großmutter ist, die für viele Geld die Juju-Zauber zelebriert, um ihren untreuen Ehemann seiner neuen Familie zu entreißen, oder deren Schwester, die unermüdlich auf Männerfang geht und die Opfer dann abzockt – nach wie vor definieren sich die Frauen über Ehe und Familie, und als Leser fragt man sich gelegentlich, ob nicht etwas weniger Liebesgedöns – das zu unnötigen Längen führt - und dafür mehr Außenwelt das Bild vervollständigt hätte. Immerhin ist eine der Frauen Schulleiterin und Enniyi hat Humangenetik studiert, also beinhaltet ihr Leben sicher noch andere Facetten. Enniyi handelt jedoch mit einer gewissen Logik: sie entzieht sich dem Fluch nicht nur durch ihr Freischwimmen, sondern auch dadurch, dass sie den Dunstkreis der Familie und ihr Land verlässt.
Trotz der Längen: der Roman besticht durch das Erzähltalent der Autorin und ihre Erzählfreude. Beides wird von der Sprecherin sehr schön umgesetzt.
3,5/5*