Ein Feuer, das ganz New York erschütterte. Im Juni 1904 ging der Ausflugsdampfer General Slocum in Flammen auf, mitten im East River. Über tausend Menschen, die meisten von ihnen deutsche Einwanderer aus dem Viertel Little Germany, verloren ihr Leben. Familien wurden auseinandergerissen, eine ganze
Gemeinschaft stand plötzlich vor dem Nichts.
Genau in dieser geschichtlichen Tragödie verortet…mehrEin Feuer, das ganz New York erschütterte. Im Juni 1904 ging der Ausflugsdampfer General Slocum in Flammen auf, mitten im East River. Über tausend Menschen, die meisten von ihnen deutsche Einwanderer aus dem Viertel Little Germany, verloren ihr Leben. Familien wurden auseinandergerissen, eine ganze Gemeinschaft stand plötzlich vor dem Nichts.
Genau in dieser geschichtlichen Tragödie verortet Maria Nikolai den zweiten Teil ihrer Dilogie "Die Bäckerinnen von Manhattan". Nach dem bewegenden Ende des ersten Bandes war die Neugier auf die Fortsetzung groß, und sie setzt nahtlos an. Lissi trauert um ihren Mann, während Julia nur knapp dem Tod entkommen konnte. Frederick, der um ihre Ehe kämpft, taucht wieder in ihrem Leben auf, voller Hoffnung, dass Liebe vielleicht doch stärker sein kann als Schmerz. Auch in Lissis Leben tritt jemand, der Erinnerungen weckt und neue Wege eröffnet.
Die Autorin verbindet historische Fakten mit fiktiven Schicksalen, ohne an Authentizität zu verlieren. Man spürt, wie intensiv sie sich mit der Zeit beschäftigt hat. Der Roman zeigt eindrucksvoll, wie tief die Katastrophe in Little Germany nachwirkt. Das einst lebendige Viertel ist verwaist, viele Familien sind zerstört, und die wenigen, die geblieben sind, kämpfen darum, wieder Halt zu finden.
Was mich besonders berührt hat, ist die Stärke, mit der Lissi und Julia ihren Weg gehen. Beide Frauen verkörpern Mut und Wandel in einer Zeit, in der Freiheit und Selbstbestimmung für Frauen keine Selbstverständlichkeit waren. Ihre Geschichten sind dicht verwoben, und doch bleibt jede eigenständig und stark. Die Autorin schafft es, Spannung und Gefühl harmonisch zu verbinden, ohne ins Sentimentale abzudriften.
Die Geschichte entwickelt sich in einem ruhigen, aber stetig intensiver werdenden Erzählfluss, der die Figuren und ihre Gefühle nie aus dem Blick verliert. Jede Szene wirkt durchdacht, jede Wendung trägt Gewicht. Besonders positiv fällt der umfangreiche Anhang des Romans auf. Maria Nikolai hat ein ausführliches Nachwort verfasst, in dem sie nachvollziehbar erklärt, welche Teile der Handlung auf wahren Begebenheiten beruhen und wo sie literarische Freiheiten genutzt hat.
Darüber hinaus bietet das Buch ein Glossar und ein Personenverzeichnis, das zwischen fiktiven und realen, historisch belegten Figuren unterscheidet. In dieser Ausführlichkeit ist das bemerkenswert und hebt den Roman von vielen anderen historischen Werken ab. Gerade bei diesem Genre ist es wertvoll, wenn sichtbar wird, wo Geschichte endet und Erzählung beginnt. Der Anhang lädt zudem dazu ein, sich intensiver mit dem realen Brand der General Slocum und seinen Folgen für die deutschstämmige Gemeinde in New York zu beschäftigen.
Fazit:
"Little Germany: Der Geschmack von Freiheit" ist ein berührender, sorgfältig recherchierter und emotional kraftvoller Abschluss der Dilogie. Maria Nikolai gelingt es, Geschichte lebendig werden zu lassen, ohne sie zu beschönigen. Ein würdiges Finale, das nicht nur die Schicksale zweier Frauen vollendet, sondern auch ein Stück vergessener Geschichte ins Bewusstsein ruft. Die letzten Seiten habe ich mit einem Kloß im Hals gelesen und war traurig darüber, dass diese Dilogie nun ihr Ende gefunden hat.