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Kalkuliert: Peter Høegs Roman "Der Susan-Effekt"
In gewisser Weise ist Susan eine Frau mit übermenschlichen Kräften. Etwas an ihr bringt die Menschen in ihrer Umgebung dazu, sich ihr anzuvertrauen, aber nicht langsam, sondern unmittelbar und gleich bei der ersten Begegnung: Susan zwingt Menschen dazu, Konventionen zu ignorieren und selbstgebaute Schutzwälle einzureißen. Das ist der "Susan-Effekt", den Peter Høegs neuer Roman in seinem Titel trägt. Es ist, nach dem 1994 erschienenen und (auch nach seiner Verfilmung) sehr bekannt gewordenen "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", ein weiterer Kriminalroman aus der Feder des dänischen Schriftstellers, in dem eine Frau dank einer besonderen Gabe einen Vorsprung genießt, aber eben auch in Gefahr gerät.
Die Gefahr droht von Seiten eines obskuren Auftrags des dänischen Geheimdienstes, der Susan benutzen will, um an Informationen über eine "Zukunftskommission" zu kommen. Diese geheime Gruppe von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen soll vor Jahren wie eine Art Orakel getagt und dabei Vorhersagen getroffen haben, mit denen sich nun die dänische Regierung ihrerseits einen Vorsprung verschaffen möchte. Unnötig zu sagen, dass die gute Susan dabei bald ihre eigenen Interessen verfolgt und dass es diese redliche Eigenwilligkeit ist, die den Roman rasch zum Ringen zwischen einem weiblichen David und einem korrupten Goliath werden lässt.
Peter Høeg versucht diese klassische Konstellation zu brechen, indem er seine Heldin zu einer recht unterkühlten Physikerin macht, der die eigene, mit Gefühlen und Stimmungen arbeitende Gabe selbst immer fremd bleiben muss. Ihr Versuch, sich das Leben, das so voller Zutraulichkeiten von Fremden steckt, durch den Glauben an seine auf ein paar mathematische Formeln zu reduzierende Logik vom Leib zu halten, ist nicht ohne Reiz. Auf Dauer ermüdend ist aber, dass auch der Autor der Versuchung erliegt, seinen Haupt- und allen anderen Figuren psychologische Profile vorzuenthalten, die der Verschachtelung des Plots etwas entgegensetzen könnten. So bleibt das Buch zwar spannend, aber es wirkt immer reserviert und ist letztlich vor allem berechenbar.
lbo.
Peter Høeg: "Der Susan-Effekt". Roman.
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Hanser Verlag, München 2015. 397 S., geb., 21,90 [Euro].
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