„Der Wald sei feucht gewesen, er habe gepocht, pulsiert, wie ein inneres Organ, Herz oder Lunge, ein großer, dunkelgrüner Mund.“
In dem Roman der Preisträgerin des Deutschen Buchpreises 2025 werden Geschichten in einer Geschichte verpackt in einem fast atemlosen Erzähltempo entsteht auch ein
Metatext über das Erzählen.
Ein Theatermacher möchte eine Geschichte rekonstruieren, die der…mehr„Der Wald sei feucht gewesen, er habe gepocht, pulsiert, wie ein inneres Organ, Herz oder Lunge, ein großer, dunkelgrüner Mund.“
In dem Roman der Preisträgerin des Deutschen Buchpreises 2025 werden Geschichten in einer Geschichte verpackt in einem fast atemlosen Erzähltempo entsteht auch ein Metatext über das Erzählen.
Ein Theatermacher möchte eine Geschichte rekonstruieren, die der Holländerinnen, die 2014 spurlos bei einer Wanderung im Dschungel von Panama verschwunden sind, indem er ihre Spuren verfolgt.
Eine Schriftstellerin in der Schreibkrise berichtet auf einem Kongress, wie sie das Angebot des Theatermachers bekommen hat, dieses Theaterprojekt im Dschungel zu begleiten und zu dokumentieren.
Und nun berichtet sie über dieses Erlebnis, erzählt von den beteiligten Personen und erzählt die Geschichten, die diese Personen erzählt haben. Das alles in indirekter Rede.
Sie nimmt die Zuhörerer*innen auch mit in die Wildheit, Unberechenbarkeit, Unheimlichkeit des Dschungels.
„Das Donnern der weit unter ihr brechenden Wellen, das irre, tausendfach widerhallende Pfeifen und Rufen der Tiere, das laute Wuchern und Bersten der Vegetation hätten einen unüberschaubar großen, gewissermaßen koordinatenlosen Raum aufgespannt, und fraglos habe sie eine Art Furcht verspürt, eine lächerliche Furcht, panisch und ehrfürchtig habe sie dagelegen in dieser pechschwarzen Nacht.“
Die Geschichten, die die Beteiligten erzählen sind düster, morbide, verstörend, oft ohne Auflösung, unerklärlich, kafkaesk.
Die Autorin selber reflektiert ihren Schreibprozess und auch den Inhalt des Geschriebenen: „Falls man etwas anderes von ihr erwartet habe, entschuldigt sie sich.“ (die Schriftstellerin beim Auditorium), sie findet zu allen Ereignissen literarische Bezüge und Zitate, reflektiert die Dialektik der Aufklärung (das Lieblingsthema des Theatermachers) und ist mit Herzogs Verfilmungen beschäftigt (auch ein Thema des Theatermachers).
„Als hätte etwas Fremdes Niederschlag gefunden in ihrem Denken“ beschreibt sie ihre innere Haltung.
„Aber in der ungelenken, nach unten und oben ausschlagenden Schrift, den unkontrolliert über die Seiten schlingernden Zeilen, den zahllosen Verschreibern und durchgestrichenen Passagen habe sich ihr Zustand gezeigt, eine fiebrige Haltlosigkeit, wenn man so wolle, eine Zerrüttung, eine Erosion, die sich im Laufe jener Tage zwischen den Wendekreisen vollzogen haben müsse.“
„Die zersplitterten Sätze, Gesprächsfetzen, die isolierten, blitzhaften Szenen und Bilder, für die der Theatermacher später keine Verwendung gehabt, das ganze Material, das ihn nicht interessiert habe, das in seinen Augen redundant, das irrelevant gewesen sei, dieser Schutt des Protokolls, den sie selbst aber nicht losgeworden sei, nicht habe loswerden wollen, habe sich für sie zu einem eigenen Text zusammengefügt, einem zweiten, gewissermaßen rückseitigen Text (…)“
Und so ist dieses Buch auch eher eine Literaturvorlesung, gespickt mit Reflexion über das Schreiben und die Bedeutung der Literatur.
„Ja, das Schreiben habe immer etwas mit dem Tod zu tun, (…), aber es sei stets ihre Überzeugung gewesen, dass die Arbeit am Schreibtisch, werde sie ernsthaft beschrieben, nichts anderes bedeute, als sich gegen diesen Tod aufzulehnen, ihm Sätze, Sprache abzuringen, von ihm weg, aufs ganz Lebendige, Offene zu.“
Dieses Buch ist sicher keine Unterhaltungslektüre, es ist irritierend und komplex, verwirrend und voller literarischer und philosophischer Bezüge. Das ist manchmal zu viel.
Aber Wissen und Erfahrung entstehen durch Literatur und die Schriftstellerin schreibt selber „(…) übrigens dürfe man nicht glauben, ihr Verhältnis zu dieser Erzählung sei unkompliziert, unbelastet, (…)“
Sprachlich ein Meisterwerk.