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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Behzad Karim Khanis "Hund, Wolf, Schakal"
Dieser Roman beginnt im Teheran der späten Siebzigerjahre: Jamshid ist Revolutionär, seine Frau wurde vom Regime im Evin-Gefängnis gequält und getötet. Doch der Mann glaubt weiter an die Revolution, rechnet mit seiner Verhaftung, bis er überraschenderweise einen gefälschten Pass geschenkt bekommt und so mit seinen zwei Söhnen nach Deutschland fliehen kann. Nach diesem kurzen Prolog wird der Schauplatz schlagartig zum Berlin der Neunziger, Protagonist von nun an ist fast ausschließlich Jamshids ältester Sohn Saam. Es geht um das Überleben auf den arabisch dominierten Straßen Neuköllns, Hierarchien, Ehre, Männlichkeit, Geldbeschaffung, Ausländerbehördengänge, Sozialleistungen.
Nach dem Prolog gliedert der Autor Behzad Karim Khani seinen Debütroman "Hund, Wolf, Schakal", aus dem er im vergangenen Jahr einen Auszug beim Bachmannpreis-Wettbewerb vorlas, in vier große Kapitel, die aus recht kurzen Unterkapiteln bestehen. Für manche Ereignisse lässt sich Khani viel Zeit, bei anderen macht er große Zeitsprünge - das ermöglicht Spannung sowie Durchatmen, und doch wird irgendwann alles aufklärt. Obwohl der größte Teil des Buchs aus Saams Augen geschildert wird, der bei der Ankunft in Deutschland elf Jahre alt ist, ist es kein Jugendroman: Dafür ist die Straße zu hart.
Denn sobald die beiden Brüder in Berlin angekommen sind, sind sie ziemlich auf sich allein gestellt. Ihr Vater arbeitet fortan als Taxifahrer und spielt in dem Leben seiner Söhne eine immer marginalere Rolle, mit seinen Gedanken scheint er noch bei der Revolution. Die drei leben aneinander vorbei, Jamshid reagiert nicht auf die Realität seiner Söhne. Saam versucht sich als Familienoberhaupt, will den jüngeren Nima beschützen und finanziell für ihn sorgen - da bleibt für einen Teenager mit entsprechenden Kontakten zunächst nur der Diebstahl als Weg.
So gerät Saam immer stärker in den Strudel der Straßenpolitik, dessen Rangordnungen er dem Leser erklärt. Denn gerade im zweiten Kapitel, in dem Saam fünfzehn Jahre alt ist, findet er sich oft in sogenannten "Ja oder Ja"-Situationen wieder: Er wird von anderen Jungs, die hierarchisch weiter oben stehen, um vermeintliche Gefallen gebeten, die er entweder erfüllt und die zu seinem kriminellen Register beitragen, oder er ist selbst dran.
So häufen sich schlimme Ereignisse in einem energiegeladenen Stakkato, das zwar voraussehbar ist, aber doch verzweifeln lässt, und sorgt sich der Leser um Saams Schicksal, bevor der Teenager das selbst aussprechen kann - bis er schließlich für einen Apothekenraub (nicht seine schlimmste Tat) im Gefängnis landet und für den Vater ab diesem Tag gestorben ist. Die zweite Hälfte des Buches widmet sich stärker dem jüngeren Bruder Nima - der allerdings auch bald die Härte des Lebens kennenlernt.
"Hund, Wolf, Schakal" ist ein trauriges, ernstes, manchmal auch komisches Buch, in dem zwei junge Iraner zusammen mit ihrem Vater auf die Realität für Einwanderer in den späten Neunzigern in Deutschland treffen. Alle Behördengänge sind begleitet von Angst und Hilflosigkeit, das Einzige, was dabei notiert wird, sind kriminelle Einträge. Der Sog von Drogen und Gewalt ist so immens, dass deutlich werden soll: Nur die Umstände haben die Protagonisten zu ihren Verbrechen gebracht. ANNA FLÖRCHINGER
Behzad Karim Khani: "Hund, Wolf, Schakal". Roman.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2022. 288 S., geb., 24,- Euro.
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