Fall und Aufstieg der Hayley Sinclair
Schauplatz: Das Fringe Kulturfestival in Edinburgh. Protagonisten: Die Stand-up Comedian Hayley Sinclair, am Anfang ihrer Karriere und der renommierte, aber gnadenlose Kritiker Alex Lyons, Sohn einer Schauspiellegende.
Alex, Anfang 30, besucht für seine
überregionale Zeitung zahlreiche Theateraufführungen und Shows des Festivals. Seine Kritiken sind…mehrFall und Aufstieg der Hayley Sinclair
Schauplatz: Das Fringe Kulturfestival in Edinburgh. Protagonisten: Die Stand-up Comedian Hayley Sinclair, am Anfang ihrer Karriere und der renommierte, aber gnadenlose Kritiker Alex Lyons, Sohn einer Schauspiellegende.
Alex, Anfang 30, besucht für seine überregionale Zeitung zahlreiche Theateraufführungen und Shows des Festivals. Seine Kritiken sind radikal, 3 Sterne findet er nichtssagend und langweilig, er verteilt entweder einen Stern oder aber (eher selten) fünf Sterne. Hayleys Performance erntet von ihm einen harten Verriss, was ihn aber nicht daran hindert, mit Hayley die Nacht zu verbringen, als sie sich später in einer Kneipe begegnen. Nur erwähnt er nicht, wer er ist. Als Hayley es am nächsten Tag herausfindet, ist sie zuerst am Boden zerstört, geht dann aber in die Offensive. Sie arbeitet ihr Programm um und stellt Alex und sein Verhalten in den Mittelpunkt. Durch die Enthüllung ihrer Demütigung demütigt sie wiederum ihn. Und es funktioniert, viele Frauen mit ähnlichen Erfahrungen sind auf ihrer Bühne zu Gast, das Publikum kommt in Strömen, die nächsten Vorstellungen sind alle ausverkauft, in den sozialen Medien prasselt ein Shitstorm auf Alex nieder.
Erzählt wird uns das alles durch eine dritte Person, Alex’ Kollegin Sophie, die seinerzeit mit ihm zusammen bei der Zeitung angefangen hatte, nun aber nach einer Babypause wieder im Beruf Fuß zu fassen versucht. In der Hierarchie hat Alex sie längst überrundet. Mir hat dieser Kunstgriff der Autorin gut gefallen, dass uns alles aus Sophies ambivalenter Perspektive geschildert wird. Denn sie empfindet einerseits Loyalität für Alex, ist aber andererseits auch auf Hayleys Seite und bewundert ihre Initiative. Sophies private Situation als berufstätige junge Mutter und das nicht ganz unkompliziert verlaufende Verhältnis zu ihrem Ehemann spielen auch in ihre Gedankengänge hinein und dadurch gibt es keine eindeutige Schwarz-Weiß-Zuordnung.
Charlotte Runcie hält der heutigen Gesellschaft mit scharfer Beobachtungsgabe einen Spiegel vor – das regt zum Nachdenken an und liest sich außerdem sehr amüsant und unterhaltsam, bissig und witzig. Speziell die Ambivalenz von Sophie hat mir gefallen, die nicht nur einseitig Alex zum Buhmann macht. Sophie kämpft mit ihrer eigenen Haltung zu allem, was da passiert, sie stellt sich viele Fragen zu ihrer Rolle als Frau, Ehefrau, Mutter, Journalistin und Kritikerin. Ein gelungenes Debut, sehr zu empfehlen.