In seinem Buch „Systemversagen“ beschreibt Gabor Steingart, warum er Deutschland auf einem gefährlichen Weg sieht. Für ihn steckt das Land in einer umfassenden Krise: zentrale Systeme, angefangen von der sozialen Sicherung über die Energieversorgung bis hin zu Bildung, Verwaltung und Politik
funktionieren nicht mehr so, wie sie es sollten.
Er zeichnet das Bild einer einst starken…mehrIn seinem Buch „Systemversagen“ beschreibt Gabor Steingart, warum er Deutschland auf einem gefährlichen Weg sieht. Für ihn steckt das Land in einer umfassenden Krise: zentrale Systeme, angefangen von der sozialen Sicherung über die Energieversorgung bis hin zu Bildung, Verwaltung und Politik funktionieren nicht mehr so, wie sie es sollten.
Er zeichnet das Bild einer einst starken Wirtschaftsnation, deren „Betriebssystem“ ins Stocken geraten ist („Kernschmelze im produktiven Kern“). Besonders kritisch und daher auch provokant formuliert, sieht er das Sozialsystem: Es verspreche Leistungen ohne entsprechende Arbeit, schwäche damit die Motivation vieler Menschen und belaste die Gemeinschaft finanziell. Auch die Energiepolitik gerät in seine Kritik. Steingart warnt, dass Deutschland seine industrielle Stärke verliere, weil Energie unsicher und teuer geworden sei.
Ein weiteres großes Thema ist die Bildung. Nach seiner Analyse bringt das deutsche Schulsystem nicht mehr genügend qualifizierte Fachkräfte hervor, mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Die Verwaltung beschreibt er als überfordert und ineffizient: zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig digital. Schließlich richtet er den Blick auf die Politik selbst. Fehlfunktionen und mangelnde Entscheidungsfreude lähmen aus seiner Sicht nicht nur die Regierung, sondern auch Unternehmen und Bürger („Die Eliten taumeln von einem Kontrollverlust zum nächsten.“).
Die Gründe für den Abstieg Deutschlands liegen in unserer Geschichte, bei unseren Kanzlern, in der Globalisierung und der Rolle der großen Mächte. Steingarts Ursachenforschung reicht daher auch zurück bis in die Anfangsjahre der Bundesrepublik. Er nimmt die Kanzlerschaften von Adenauer, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel und Scholz in den Blick – und arbeitet sich dabei besonders intensiv an Angela Merkel ab, die er spöttisch als „Zauderliese“ bezeichnet. Selbst die kurzen Kanzlermonate von Friedrich Merz bleiben nicht außen vor. Mit einem ausführlichen Blick auf die USA, China, Indien und Russland schließt Steingart seine Analyse ab.
Am Ende steht eine ernüchternde Diagnose: Soziales, Energie, Bildung, Verwaltung und Politik greifen in Deutschland nicht mehr ineinander, sondern blockieren sich gegenseitig. Doch Steingart belässt es nicht bei der Kritik, sondern macht auch Vorschläge für Reformen, die aus meiner Sicht eher allgemein bleiben und nicht die gleiche analytische Tiefe haben wie seine Problemdiagnosen. Das Problem sehe ich allerdings auch nicht an mangelnden Reformideen, sondern am Willen und der Fähigkeit der Regierung, diese auch umzusetzen.
Steingart versteht es, komplexe Themen so darzustellen, dass sie für jeden nachvollziehbar bleiben – präzise, pointiert und ohne unnötige Fachsprache. Wer seinen Newsletter liest, kennt diesen Stil bereits. Die Fakten sind gründlich recherchiert und anschaulich aufbereitet, sodass man sich gut abgeholt fühlt.
Es gibt für mich zwei Kritikpunkte: Erstens sind sämtliche Schaubilder in der Mitte des Buches gesammelt und nicht thematisch in den Text integriert. Zweitens wirkt die Gestaltung insgesamt wenig gelungen. Der Satzspiegel ist gedrungen und teilweise abgeschnitten.
„Systemversagen“ ist ein provokantes, sehr gut lesbares und streitbares Buch, das die Debatte über Deutschlands Zukunft sicherlich an- und aufregen wird.