Meisterhaftes Geschichtsbuch, das beispielgebend für deutsche Professoren sein sollte
Ich bin kein Historiker und historische Theorien interessieren mich wenig. Mein Kenntnisstand der preußischen Geschichte war vor diesem Buch auch gering, deswegen habe ich viel Neues gelernt.
Preußen wuchs zu
einer europäischen Großmacht nach dem Dreißigjährigem Krieg. Dabei musste Friedrich Wilhelm, der…mehrMeisterhaftes Geschichtsbuch, das beispielgebend für deutsche Professoren sein sollte
Ich bin kein Historiker und historische Theorien interessieren mich wenig. Mein Kenntnisstand der preußischen Geschichte war vor diesem Buch auch gering, deswegen habe ich viel Neues gelernt.
Preußen wuchs zu einer europäischen Großmacht nach dem Dreißigjährigem Krieg. Dabei musste Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, erst die Macht der Stände brechen bevor er unter allerlei außenpolitischen Krisenherden (die Schweden in Pommern, Frankreich könnte von den Niederlande Kleve besetzten, Polen und Sachsen bedrohen Preußen) ein stehendes Heer bilden und Kriegserfolge erst mit und dann gegen die Schweden in Pommern feiern konnte. Ihm war der Übertritt seines Großvaters zum Calvinismus wichtig, wollte aber von zweiter Reformation nichts wissen. Für seine Geschichtsschreibung stellte er mehrere Historiker ein, der wichtigste hieß Pufendorf.
Beim König Friedrich II. (der Große) sah die Welt anders aus. Mit Voltaire befreundet schrieb er selbst. Die Entmachtung der Stände durch seinen Urgroßvater ließ er aber lieber aus. Auch die Konfession seiner Landsleute war dem schwulen Friedrich egal.
Zu Bismarck wundert mich, dass weder FAZ noch SZ erwähnen, dass der Reichskanzler Politik wie ein Schachspiel verstand. Neun Seiten über die wachsende Bedeutung des Schachspiels Ende des 19. Jahrhunderts. Berühmt ist die Karikatur, in der Bismarck mit dem Papst während des Kulturkampfes Schach spielt.
Nach der Revolution 1848 musste Bismarck wechselnde Mehrheiten für sich im Parlament suchen, mal beriet er sich mit den Sozialisten, wie die Sozialversicherungsgesetze gestaltet werden, später verfolgt er sie. Mal sucht er Unterstützung bei den Liberalen, mal bei den Konservativen.
Die Nazis wiederum wollten von Null anfangen und einen Nordischen Mythos begründen, während italienische Faschisten das Römische Reich zum Vorbild hatten. Besonders gefällt mir, dass der Autor auch in diesem Kapitel einen Exkurs macht über die Geschichtsmuseen der Nazis, die in Berlin z.B. das Revolutionsmuseum der Linken in der Parochialstraße und das Anti-Kriegs Museum für ihr Vergangenheitsbild missbrauchten.
Im Epilog schlägt der Autor den Bezug zur Gegenwart und zu anderen Ländern. Spätestens seit der Finanzkrise fehlt aber dem Kapitalismus sein Narrativ. Auch die Migrationskrise und der Klimawandel fehlt eine Einordnung in die Geschichte.
Da ich vor allem die Theorien nicht immer spannend fand, vergebe ich 4 Sterne. Aber eher 5 als 3.
Lieblingszitat:
Der Strom der Zeit läuft seinen Weg doch, wie er soll und wenn ich meine Hand hineinstecke, so thue ich das, weil ich das für meine Pflicht halte, aber nicht weil ich damit seine Richtung zu ändern meine. (Bismarck, 1852 S.133)