Der Roman „Levins Mühle - 34 Sätze über meinen Großvater“ von Johannes Bobrowski erschien 1964 zeitgleich in der DDR und der BRD. Die handfeste Geschichte spielt im Jahre 1874 in Westpreußen und entwickelt sich aus einem Kriminalfall. Im Mittelpunkt des Werkes steht ein reicher deutscher
Wassermühlenbesitzer und Baptist, den der Erzähler als „mein Großvater“ bezeichnet. In dem kleinen Dorf Neumühl…mehrDer Roman „Levins Mühle - 34 Sätze über meinen Großvater“ von Johannes Bobrowski erschien 1964 zeitgleich in der DDR und der BRD. Die handfeste Geschichte spielt im Jahre 1874 in Westpreußen und entwickelt sich aus einem Kriminalfall. Im Mittelpunkt des Werkes steht ein reicher deutscher Wassermühlenbesitzer und Baptist, den der Erzähler als „mein Großvater“ bezeichnet. In dem kleinen Dorf Neumühl leben Deutsche, Polen, Juden und Zigeuner nebeneinander. Als jedoch der Großvater, der kein gemütlicher alter Mann ist, eines Nachts sein Stauwehr öffnet und die Bootsmühle seines jüdischen Konkurrenten Levin wegschwemmt, ist die Dorfgemeinschaft gespalten.
Levin versucht beim Kreisgericht Recht zu bekommen, aber die deutsche Justiz glaubt dem dahergelaufenen Juden und seiner jungen Zigeunerin Marie nicht. Obwohl es Zeugen gibt, wird der Prozess, durch die Machenschaften des „Großvaters“ und seiner deutschen Landsleute, vom evangelischen Pfarrer Glinski über den Landrat bis zum Kreisrichter, verschleppt. Schließlich bekommt der Großvater sogar Recht und der arme Levin resigniert. Doch er hat im Dorf Freunde, die nicht aufgeben wollen und ihm zur Seite stehen - der Zigeuner Habedank, Levins Braut, der Bänkelsänger Weiszmantel, der Abdecker Froese, der ehemalige Lehrer Willuhn und viele andere. Mit einer Spottballade prangern sie den Großvater und seine Untat öffentlich an. Als der Großvater auch noch Levins Wohnhütte anzündet, haben selbst die deutschen Dorfbewohner Zweifel an der Rechtschaffenheit des Mühlenbesitzers. Schließlich muss der kriminelle Großvater aufgeben und das Feld räumen. Es kehrt wieder Ruhe im Dorf ein, aber auch Levin kann nicht bleiben, mit seiner Geliebten zieht er in die Welt hinaus.
„Levins Mühle“ ist ein Dokument der Menschlichkeit, in dem Bobrowski zahlreiche stilistische Mittel einsetzt. Sein „Enkel-Erzähler“ berichtet über die Vorkommnisse in dem deutsch-polnischen Grenzgebiet aus der historischen Distanz und mit dem Wissen um die Katastrophe der „Endlösung“ im 20. Jahrhundert. Er kommentiert immer wieder das Geschehen und wendet sich dabei direkt an den Leser.
Im Audio-Verlag ist eine ungekürzte Lesung des Romans erschienen - eine Produktion des MDR aus dem Jahr 2005. Dem inzwischen bereits verstorbenen Schauspieler und Sprecher Traugott Buhre gelingt es bemerkenswert, dieses atmosphärisch dichte Werk und die spezifische Sprache von Bobrowski hörbar zu machen. Die mp3-CD (Spieldauer ca. 400 min) ist in 127 Tracks unterteilt, sodass ein Wiedereinstieg jederzeit möglich ist. Wer auf der Suche nach noch mehr hörbarer deutscher und internationaler Literatur ist, sollte sich einmal die DAV-Edition „Große Werke. Große Stimmen“ ansehen. Hier findet man immerhin 29 Titel - von Kafka bis Mark Twain, von Kleist bis Tucholsky - alles auf mp3 und zu einem Preis von zehn Euro.