Als Natascha Wodin 1992 nach Berlin kommt, sucht sie jemanden, der ihr beim Putzen hilft. Sie stellt Nastja ein, die wie Wodins Eltern aus der Ukraine stammt. Die studierte Tiefbauingenieurin konnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im wirtschaftlichen Chaos ihrer Heimat nicht mehr überleben. Also stieg sie in einen Zug nach Berlin. Doch kaum ist ihr Visum dort abgelaufen, schlittert sie in das Leben einer Illegalen.
Für Natascha Wodin ist es, als würde sie von ihrem eigenen Schicksal eingeholt. Im Heimweh dieser Ukrainerin, mit der sie immer mehr eine Freundschaft verbindet, erkennt sie das Heimweh ihrer Mutter wieder, die daran zerbrochen ist. Jetzt, Jahre später, zeichnet sie mit verhaltener, anrührender Poesie das Porträt von Nastja, einer kämpferischen zarten Frau.
Martina Gedeck hat von Natascha Wodin bereits "Irgendwo in diesem Dunkel" als Hörbuch interpretiert und begeisterte durch ihre ruhige Ausdruckstiefe. Für "Nastjas Tränen" wurde sie mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2022 in der Kategorie »Beste Interpretin« ausgezeichnet.
Für Natascha Wodin ist es, als würde sie von ihrem eigenen Schicksal eingeholt. Im Heimweh dieser Ukrainerin, mit der sie immer mehr eine Freundschaft verbindet, erkennt sie das Heimweh ihrer Mutter wieder, die daran zerbrochen ist. Jetzt, Jahre später, zeichnet sie mit verhaltener, anrührender Poesie das Porträt von Nastja, einer kämpferischen zarten Frau.
Martina Gedeck hat von Natascha Wodin bereits "Irgendwo in diesem Dunkel" als Hörbuch interpretiert und begeisterte durch ihre ruhige Ausdruckstiefe. Für "Nastjas Tränen" wurde sie mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2022 in der Kategorie »Beste Interpretin« ausgezeichnet.
Im Schleudergang der Zeitgeschichte
Eine Frau sucht eine Putzhilfe und findet eine Ukrainerin, wie ihre eigene Mutter: Natascha Wodins Roman „Nastjas Tränen“
Die „slawische Mentalität“ hat etwas Gespenstisches, und Zeit ihres Lebens sah sich Natascha Wodin mit ihr konfrontiert. Als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter in Hitlerdeutschland geboren, standen ihre Herkunft und die damit verbundenen inneren Konflikte immer im Zentrum ihrer Texte. In Wodins bewegendem Buch „Sie kam aus Mariupol“ diagnostizierte die Autorin den unergründlichen, abweisenden Ausdruck in den Augen ihrer Mutter, die sich in den Fünfzigerjahren umbrachte, als „Heimweh“: als das Gebundensein an eine Welt, vor der sie zwar fliehen wollte, die sie aber in Deutschland fremd bleiben ließ. Denselben Ausdruck erkennt die Ich-Erzählerin nun fünfzig Jahre später in den Augen der Ukrainerin Nastja.
Es spielt keine Rolle, ab welchem Zeitpunkt die Autorin den Bereich engerer biografischer Erfahrungen verlässt und in Fiktionalisierungen übergeht. „Nastjas Tränen“ liest sich wie eine dokumentarische Geschichte, aber in ihr steckt eine aufregende Psycho- und Milieustudie. Die Erzählerin möchte eine Putzfrau einstellen, doch als sie Nastja sieht, ist ihr klar: Dies ist die erste Ukrainerin nach ihrer Mutter, die ihr nach Jahrzehnten begegnet. Plötzlich ist sie mit etwas konfrontiert, das sie eigentlich für immer hinter sich lassen wollte: das Schwanken zwischen Ost und West, die als unheilvoll empfundene Nähe zu slawischen Weltsichten, die dem westlichen Leben verführerisch und verderblich in die Quere kommen können.
Nastja ist eine jugendlich wirkende, intelligente Person, und sie löst widersprüchliche Gefühle aus. Die Ich-Erzählerin tritt mit ihrer Stimme zurück und beschreibt in atmosphärischen Skizzen die sowjetische Vergangenheit ihrer Putzfrau. Da studiert Nastja Bauingenieurwesen in Kiew und verliebt sich in den Medizinstudenten Roman. Eine Zeit lang leben die beiden in einem ausrangierten Güterwagen, und die verschiedensten Eindrücke überlagern sich: die Probleme, etwas zu essen zu ergattern, die zermürbende Wohnsituation, aber auch die Motorradfahrten auf die Krim zu den Eltern Romans, die für Nastja zum Sinnbild ihrer Sehnsüchte werden.
Als die Ukraine ein selbständiger Staat wird, zerbrechen alle Strukturen. Im neuen Wild-Ost-Kapitalismus führen einige Nutznießer des Systems die staatlichen Betriebe und Immobilien skrupellos in ihren Privatbesitz über. Nastja, die leitende Tiefbauingenieurin, bekommt von der Staatskasse monatelang ihr Gehalt nicht mehr ausgezahlt. Als letzten Lohn erhält sie, nach 25 Jahren Dienst, einen Sack Reis. Es herrscht Rechtlosigkeit, das Überleben wird zu einem tagtäglichen Kampf. Da erscheint der „Westen“ auch für Nastja als eine verzweifelte Chance.
Es ist eine zeitgenössische, osteuropäische Odyssee, die nun beginnt, und selten hat man so nah verfolgen können, wie eine gut ausgebildete und pflichtbewusste Frau wie Nastja in den Schleudergang der Zeitgeschichte gerät. Sie ist auf die kriminellen ukrainischen Netzwerke angewiesen und landet als Putzfrau bei der Oligarchengattin Marina Iwanowna, die in einem neureich aufgemotzten Altbau in der Nähe des Kurfürstendamms wohnt und sie schamlos ausbeutet. Doch Nastja gelingt es, auch bei deutschen Familien zu putzen, und bald kommt sie mit der Erzählerin in Berührung. Als der Passfälscherring auffliegt, der Nadja eine gefälschte ukrainisch-jüdische Identität besorgt hatte, und sie Deutschland verlassen muss, spürt die Verfasserin „die letzte Chance, meiner Verwicklung in ihre Geschichte zu entgehen“. Sie möchte nichts mit jener „stillen slawischen Volksdemut“ zu tun haben, die Nastja von ihren Ahnen und Urahnen in die Wiege gelegt worden sei, als Teil der Geschichte eines „seit jeher geknechteten Landes“. Aber sie kümmert sich um Nastja, und es gelingt ihr, deren Abschiebung zu verhindern und eine sogenannte „Fiktionsbescheinigung“ zu ergattern, die ihr eine Zeit lang das Aufenthaltsrecht ermöglicht.
Das bürokratisch schillernde Wort „Fiktionsbescheinigung“ wird von der Erzählerin nach allen Seiten hin befragt und in ihre eigene ästhetische Arbeit überführt. Es gibt wunderbare Passagen, in denen die westliche Welt mit Nastjas Augen wahrgenommen wird, Bevölkerung und Freizeitpraktiken des Prenzlauer Bergs erscheinen wie eine Zirkusvorstellung mit irren Kostümen. Und obwohl ihr die deutschen Familien, bei denen sie putzt, wie Inseln der Humanität erscheinen, und obwohl sie verdutzt registriert, dass die Leute unbeschwert in den Cafés sitzen und offenkundig nicht einem ständigen Kampf ausgesetzt sind wie in ihrer Heimat – etwas in Nastja weigert sich, Deutsch zu lernen, als würde sie „Verrat begehen“ an einer Welt, „die für immer die ihre bleiben würde“.
Eine bizarre Konstellation entsteht, als Nastja eine Heiratsannonce aufgibt, um in Berlin keine Illegale mehr sein zu müssen. Sie verliebt sich in den Kranführer Achim, weil er sie mit seiner Harley-Davidson ausführt – eine Erinnerung an die Ausflüge auf die Krim mit ihrem früheren Mann. Das Bildungsgefälle zwischen der Bauingenieurin, die ihre Bücher in der Staatsbibliothek leiht, und dem deutschen Rocker mit seinen Pornoheften erweist sich als beträchtlich, außerdem entpuppt sich Achim als Heiratsschwindler. Bald lebt er von dem Geld, das sie verdient.
Als Achim schließlich stirbt, verknäuelt sich der Knoten noch. Nastja, deren Unerschütterlichkeit die Erzählerin in den Bann zieht, wohnt nun mit in deren Wohnung. Die Ukrainerin ist „glücklich, wenn sie gebraucht“ wird, und macht viel für ihre Freundin. Doch als es einmal ein festlich gemeintes deutsches Essen gibt, kommt es fast zum Eklat. Nastja schmeckt es nicht, und der eiserne Vorhang, der beiseitegeschoben schien, ist für die Erzählerin plötzlich wieder da. Die Illusion der Gemeinsamkeit zerbricht. Die Erzählerin muss erkennen, dass sie für Nastja viel mehr Deutsche ist als Ukrainerin. Und Nastja hält unbeirrbar an ihren Gewohnheiten fest. Ihr reicht auch hier nur ein „Eckchen“ in der Wohnung, sie streift durch die Stadt, ruhelos wie eine „Straßenkatze“, und sie ist viel lieber unter Leuten als allein. Als sie im Zug nach Kiew einmal ein Einzelabteil zugewiesen bekommt, sehnt sie sich danach, wie die Passagiere in den anderen Abteilen „in einer Ritze zwischen zwei Transportkisten“ zu schlafen „süß eingebettet in die Schicksalsgemeinschaft der Reisenden“.
Mit solch ungebundenen Bildern schließt der Roman, in dem „meine Mutter Regie geführt hatte“. „Nastjas Tränen“ ist eine Auseinandersetzung mit der Herkunft, die kein Ende finden kann und die in ihrer ganzen Sehnsucht und ihrem ganzen Schmerz überraschende Formen annimmt. Aber was daraus entsteht, ist ein einfühlsames, vielschichtiges Charakter- und Gesellschaftsporträt, dessen politische Bedeutung nie näher kommentiert wird, aber in jeder Zeile vibriert.
HELMUT BÖTTIGER
In der Ukraine ist sie
eine Ingenieurin,
in Berlin eine Illegale
Natascha Wodin: Nastjas Tränen. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 192 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Frau sucht eine Putzhilfe und findet eine Ukrainerin, wie ihre eigene Mutter: Natascha Wodins Roman „Nastjas Tränen“
Die „slawische Mentalität“ hat etwas Gespenstisches, und Zeit ihres Lebens sah sich Natascha Wodin mit ihr konfrontiert. Als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter in Hitlerdeutschland geboren, standen ihre Herkunft und die damit verbundenen inneren Konflikte immer im Zentrum ihrer Texte. In Wodins bewegendem Buch „Sie kam aus Mariupol“ diagnostizierte die Autorin den unergründlichen, abweisenden Ausdruck in den Augen ihrer Mutter, die sich in den Fünfzigerjahren umbrachte, als „Heimweh“: als das Gebundensein an eine Welt, vor der sie zwar fliehen wollte, die sie aber in Deutschland fremd bleiben ließ. Denselben Ausdruck erkennt die Ich-Erzählerin nun fünfzig Jahre später in den Augen der Ukrainerin Nastja.
Es spielt keine Rolle, ab welchem Zeitpunkt die Autorin den Bereich engerer biografischer Erfahrungen verlässt und in Fiktionalisierungen übergeht. „Nastjas Tränen“ liest sich wie eine dokumentarische Geschichte, aber in ihr steckt eine aufregende Psycho- und Milieustudie. Die Erzählerin möchte eine Putzfrau einstellen, doch als sie Nastja sieht, ist ihr klar: Dies ist die erste Ukrainerin nach ihrer Mutter, die ihr nach Jahrzehnten begegnet. Plötzlich ist sie mit etwas konfrontiert, das sie eigentlich für immer hinter sich lassen wollte: das Schwanken zwischen Ost und West, die als unheilvoll empfundene Nähe zu slawischen Weltsichten, die dem westlichen Leben verführerisch und verderblich in die Quere kommen können.
Nastja ist eine jugendlich wirkende, intelligente Person, und sie löst widersprüchliche Gefühle aus. Die Ich-Erzählerin tritt mit ihrer Stimme zurück und beschreibt in atmosphärischen Skizzen die sowjetische Vergangenheit ihrer Putzfrau. Da studiert Nastja Bauingenieurwesen in Kiew und verliebt sich in den Medizinstudenten Roman. Eine Zeit lang leben die beiden in einem ausrangierten Güterwagen, und die verschiedensten Eindrücke überlagern sich: die Probleme, etwas zu essen zu ergattern, die zermürbende Wohnsituation, aber auch die Motorradfahrten auf die Krim zu den Eltern Romans, die für Nastja zum Sinnbild ihrer Sehnsüchte werden.
Als die Ukraine ein selbständiger Staat wird, zerbrechen alle Strukturen. Im neuen Wild-Ost-Kapitalismus führen einige Nutznießer des Systems die staatlichen Betriebe und Immobilien skrupellos in ihren Privatbesitz über. Nastja, die leitende Tiefbauingenieurin, bekommt von der Staatskasse monatelang ihr Gehalt nicht mehr ausgezahlt. Als letzten Lohn erhält sie, nach 25 Jahren Dienst, einen Sack Reis. Es herrscht Rechtlosigkeit, das Überleben wird zu einem tagtäglichen Kampf. Da erscheint der „Westen“ auch für Nastja als eine verzweifelte Chance.
Es ist eine zeitgenössische, osteuropäische Odyssee, die nun beginnt, und selten hat man so nah verfolgen können, wie eine gut ausgebildete und pflichtbewusste Frau wie Nastja in den Schleudergang der Zeitgeschichte gerät. Sie ist auf die kriminellen ukrainischen Netzwerke angewiesen und landet als Putzfrau bei der Oligarchengattin Marina Iwanowna, die in einem neureich aufgemotzten Altbau in der Nähe des Kurfürstendamms wohnt und sie schamlos ausbeutet. Doch Nastja gelingt es, auch bei deutschen Familien zu putzen, und bald kommt sie mit der Erzählerin in Berührung. Als der Passfälscherring auffliegt, der Nadja eine gefälschte ukrainisch-jüdische Identität besorgt hatte, und sie Deutschland verlassen muss, spürt die Verfasserin „die letzte Chance, meiner Verwicklung in ihre Geschichte zu entgehen“. Sie möchte nichts mit jener „stillen slawischen Volksdemut“ zu tun haben, die Nastja von ihren Ahnen und Urahnen in die Wiege gelegt worden sei, als Teil der Geschichte eines „seit jeher geknechteten Landes“. Aber sie kümmert sich um Nastja, und es gelingt ihr, deren Abschiebung zu verhindern und eine sogenannte „Fiktionsbescheinigung“ zu ergattern, die ihr eine Zeit lang das Aufenthaltsrecht ermöglicht.
Das bürokratisch schillernde Wort „Fiktionsbescheinigung“ wird von der Erzählerin nach allen Seiten hin befragt und in ihre eigene ästhetische Arbeit überführt. Es gibt wunderbare Passagen, in denen die westliche Welt mit Nastjas Augen wahrgenommen wird, Bevölkerung und Freizeitpraktiken des Prenzlauer Bergs erscheinen wie eine Zirkusvorstellung mit irren Kostümen. Und obwohl ihr die deutschen Familien, bei denen sie putzt, wie Inseln der Humanität erscheinen, und obwohl sie verdutzt registriert, dass die Leute unbeschwert in den Cafés sitzen und offenkundig nicht einem ständigen Kampf ausgesetzt sind wie in ihrer Heimat – etwas in Nastja weigert sich, Deutsch zu lernen, als würde sie „Verrat begehen“ an einer Welt, „die für immer die ihre bleiben würde“.
Eine bizarre Konstellation entsteht, als Nastja eine Heiratsannonce aufgibt, um in Berlin keine Illegale mehr sein zu müssen. Sie verliebt sich in den Kranführer Achim, weil er sie mit seiner Harley-Davidson ausführt – eine Erinnerung an die Ausflüge auf die Krim mit ihrem früheren Mann. Das Bildungsgefälle zwischen der Bauingenieurin, die ihre Bücher in der Staatsbibliothek leiht, und dem deutschen Rocker mit seinen Pornoheften erweist sich als beträchtlich, außerdem entpuppt sich Achim als Heiratsschwindler. Bald lebt er von dem Geld, das sie verdient.
Als Achim schließlich stirbt, verknäuelt sich der Knoten noch. Nastja, deren Unerschütterlichkeit die Erzählerin in den Bann zieht, wohnt nun mit in deren Wohnung. Die Ukrainerin ist „glücklich, wenn sie gebraucht“ wird, und macht viel für ihre Freundin. Doch als es einmal ein festlich gemeintes deutsches Essen gibt, kommt es fast zum Eklat. Nastja schmeckt es nicht, und der eiserne Vorhang, der beiseitegeschoben schien, ist für die Erzählerin plötzlich wieder da. Die Illusion der Gemeinsamkeit zerbricht. Die Erzählerin muss erkennen, dass sie für Nastja viel mehr Deutsche ist als Ukrainerin. Und Nastja hält unbeirrbar an ihren Gewohnheiten fest. Ihr reicht auch hier nur ein „Eckchen“ in der Wohnung, sie streift durch die Stadt, ruhelos wie eine „Straßenkatze“, und sie ist viel lieber unter Leuten als allein. Als sie im Zug nach Kiew einmal ein Einzelabteil zugewiesen bekommt, sehnt sie sich danach, wie die Passagiere in den anderen Abteilen „in einer Ritze zwischen zwei Transportkisten“ zu schlafen „süß eingebettet in die Schicksalsgemeinschaft der Reisenden“.
Mit solch ungebundenen Bildern schließt der Roman, in dem „meine Mutter Regie geführt hatte“. „Nastjas Tränen“ ist eine Auseinandersetzung mit der Herkunft, die kein Ende finden kann und die in ihrer ganzen Sehnsucht und ihrem ganzen Schmerz überraschende Formen annimmt. Aber was daraus entsteht, ist ein einfühlsames, vielschichtiges Charakter- und Gesellschaftsporträt, dessen politische Bedeutung nie näher kommentiert wird, aber in jeder Zeile vibriert.
HELMUT BÖTTIGER
In der Ukraine ist sie
eine Ingenieurin,
in Berlin eine Illegale
Natascha Wodin: Nastjas Tränen. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 192 Seiten, 22 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger erkennt in Natascha Wodins Roman ein empathisches wie vielschichtiges Gesellschaftsporträt und das Porträt einer Frau aus der Ukraine, die durch die Umstände um ihre Lebensleistung gebracht wird. Die Sehnsucht und den Schmerz der Protagonistin vermittelt ihm der aus der Perspektive einer anderen Frau mit Migrationsgeschichte erzählende Text überzeugend. Was an der Geschichte autobiografisch ist, interessiert Böttiger dabei weniger als die "aufregende Psycho- und Milieustudie" aus einem eher unbekannten Berlin und die "atmosphärische" Beschreibung einer sowjetischen Vergangenheit. Dass sich mit Herkunft und Vergangenheit nicht abschließen lässt, vermittelt ihm der Roman auf eindringliche Weise.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Was in Natascha Wodins west-östliches Kraftfeld gerät, wird zu großer Literatur. Stefan Kister Stuttgarter Zeitung 20210921
Rezensent Tilman Spreckelsen lernt mit Natascha Wodins Roman das vielschichtige Verhältnis zweier Frauen kennen, die eine eine ihrer Heimat nachtrauernde und in Deutschland um ihre Existenz kämpfende Ukrainiern, die andere eine ukrainischstämmige Deutsche, die es "geschafft" hat. Wie sich die eine Frau im Verhalten der anderen gespiegelt sieht und wie sie ihr eigenes Leben aufgrund dessen hinterfragt, inszeniert die Autorin laut Spreckelsen mit viel Sinn für die Wünsche, inneren Widersprüche und Projektionen der beiden Figuren sowie auch mit Gespür für die Dramaturgie der Erzählung, die dem Leser nie zu viel verrät, wie der Rezensent befriedigt feststellt.
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