Frank Bascombe, dieser amerikanische Durchschnittsmann, ist wieder da. Wie sein Autor, der demnächst 80 Jahre alt wird, ist auch Frank Bascombe gealtert: er ist 74. Franks Leben steht vor einer besonderen Herausforderung. Sein Sohn Ralph ist bereits früh verstorben, die Ehe zerbrach an diesem
Verlust, und nun begleitet er seinen Sohn Paul, der an der tödlichen Krankheit ALS leidet und bald sterben…mehrFrank Bascombe, dieser amerikanische Durchschnittsmann, ist wieder da. Wie sein Autor, der demnächst 80 Jahre alt wird, ist auch Frank Bascombe gealtert: er ist 74. Franks Leben steht vor einer besonderen Herausforderung. Sein Sohn Ralph ist bereits früh verstorben, die Ehe zerbrach an diesem Verlust, und nun begleitet er seinen Sohn Paul, der an der tödlichen Krankheit ALS leidet und bald sterben wird.
Der Plot ist eigentlich schnell erzählt: Vater und Sohn kaufen ein klappriges Wohnmobil und starten eine Tour zu den Absurditäten und Verrücktheiten der USA. Im Mittelpunkt steht dabei der Besuch des Mount Rushmore in Süd-Dakota, der Berg, in den die vier monumentalen Köpfe der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln und Theodore Roosevelt eingehauen sind. Ein Nationaldenkmal, ein Sinnbild des amerikanischen Selbstverständnisses und der Demokratie. Vater und Sohn sehen den organisatorischen Aufwand, die Parkplätze, die Menschenmassen, die pompöse Zugangsallee, die vielen Andenkenläden, den ganzen Konsum um dieses Denkmal herum, und sie sehen, dass das Denkmal bröckelt.
Diese Feststellung ist typisch für den ganzen Roman: nicht nur das Denkmal, dieser Shrine of Democracy, bröckelt, sondern auch das Land. Ford und sein Protagonist scheinen hier zu verschmelzen, wenn sie sehr genau beobachten und beschreiben. Die Furcht vor Amokschützen in öffentlichen Freiplätzen, der ungebremste Konsum in Einkaufsparadiesen, die Negierung ethnischer Rechte, heruntergekommene und überteuerte Motels, Fast-Food-Ketten, ein Casino, das von Indianern betrieben wird, endlose Straßen, endlose Vororte, touristisch aufgemotzte Orte, ein bizarres Maismuseum, die Mayo-Klinik als perfekt durchorganisierter riesiger Gesundheitspark, der den Tod negiert, und natürlich Trump - das ist der Blick, den Autor + Protagonist dem Leser vermitteln: ein ernüchternder Blick auf ein zerbröckelndes Land.
Das Verhältnis Vater-Sohn war nie das Beste, dennoch beschließt Frank, sich um den Sohn zu kümmern. Er beobachtet die schleichende Verschlechterung von Pauls Zustand, er registriert seine Muskelzuckungen, die zunehmende Muskelschwäche, die zu Stürzen führt, und seine Probleme beim Kauen und Sprechen. Es wäre also Zeit für das große Resümee, das die Klinik empfohlen hat. Und genau das tun sie nicht. Die Beiden reden viel, sie machen Witze, sie pflaumen sich an, aber sie reden nicht über die Dinge, die anstehen: Pauls Sterben und Tod. Aber hinter all den verbalen Spielereien klingt immer Franks tiefe Trauer über die Erkrankung des Sohnes heraus. Und diese verhaltene Mischung aus Tragik und Komik, aus Leid und Ironie macht den Roman anrührend bis zum letzten Satz.
Die Gedanken von Vater und Sohn kreisen um die Frage, woraus ein gutes Leben besteht. „Ein tolles Leben habe ich nicht hingelegt“, sagt der Sohn, und der Vater darauf: „Aber du hast dich ordentlich geschlagen.“ Damit sind sie beide zufrieden. Frank verzichtet darauf, mit dem Schicksal zu hadern und nach dem Warum zu fragen. Er lehnt sich nicht auf, sondern beugt sich und nimmt das Schicksal an, das ihm zugewiesen ist. Die Frage nach dem Glück beantwortet er nüchtern und in Anlehnung an Augustinus so, dass Glück die Abwesenheit von Unglück ist.
Und was ist ein gelungenes Leben? Die Antworten des Vaters auf diese Frage werden dem sterbenden Paul vorgelesen. Der Roman schließt mit dieser tröstlichen Aussage: Nicht alles hat Sinn und Zweck, vieles macht man nicht, obwohl man es machen wollte oder sollte, und auch wenn nicht alles klappt, wie es sollte, hat man trotzdem ein gelungenes Leben geführt.
Der Roman wurde perfekt und kongenial übersetzt von Frank Heibert, Chapeau!! Schade, dass das Nachwort der Print-Ausgabe im Hörbuch nicht enthalten ist!
Ebenso perfekt ist die Einlesung von Christian Brückner, dessen variationsstarke Stimme v. a. in den Dialogen überzeugt.