Dorothea und Gretchen Wild, die Geschwister Hassenpflug und Haxthausen, Jenny Droste Hülshoff und Dorothea Viehmann usw.: Es waren überwiegend Frauen, die den Grimms die Märchen zutrugen jedoch nicht nur. Ebenso waren für die weitere Ausgestaltung in der Folge der Grimm schen Ausgaben von 1812 bis 1857 die Erzählungen »Der Fischer und seine Frau« und »Der Machandelboom«, die der früh verstorbene Maler Philipp Otto Runge schon fünf Jahre früher an Clemens Brentano und Achim von Arnim als seinen Beitrag zur Sammlung für »Des Knaben Wunderhorn« gesandt hatte, als Vorbild für eine gelungene Literarisierung von erzählter Volksliteratur von großer Bedeutung. Sowohl Brentano als auch Achim von Arnim, der im Jahre 1812 die Grimms zur ersten Ausgabe ermutigte, führte die Niederschriften von Runge als vorbildlich an: »Warum die Sachen nicht so gut erzählen, als die Runge schen erzählt sind? Sie sind in ihrer Gattung vollkommen.« (Brentano in einem Brief an von Arnim Anfang 1813)
In diesen Tagen liest sich das düster-groteske Märchen "Vom Fischer und seiner Frau" ganz aktuell, wie ein Kommentar auf eines der größten maritimen Unglücke aller Zeiten. So wie die maßlose Ilsebill, die den Hals nicht voll bekam, konnte auch der Ölkonzern die Gier nicht zügeln, weshalb nun das auslaufende Öl im Golf von Mexiko alles Leben im Meer tötet. "Da war die See ganz schwarz und dick und fing schon an, so von unten herauf zu gären, dass es Blasen gab", heißt es bei den Gebrüdern Grimm, als hätten sie beim Niederschreiben tatsächlich die Fernsehbilder der Unterwasserkamera vor Augen gehabt. Aller Dramatik zum Trotz kommt das Märchen des Jahres 1812 bis zuletzt ohne Gewalt und Strafe aus - so wie seine Wiederauflage 2010 wohl auch. Die Fischersfrau schickt ihren Mann wieder und wieder ans Ufer, auf dass der Butt ihren gesellschaftlichen Aufstieg vom König über den Kaiser bis zum Papst perfekt mache. Als dies dem Fisch irgendwann zu bunt wird, drückt er nur die Reset-Taste: Alles zurück auf Anfang. Sabine Wilharm hat für das großformatige Märchenbuch traumschöne Bilder gefunden. Ihre Ilsebill ist anfangs so reizend, dass man zu gut versteht, warum ihr Mann ihr jeden Wunsch erfüllt. Zurück im alten Leben ist sie dann zwar zerzaust, aber erst richtig liebenswürdig. (Jacob und Wilhelm Grimm: "Vom Fischer und seiner Frau". Illustriert von Sabine Wilharm. Aufbau Verlag, Berlin 2010. 32 S. geb., 15,95 [Euro]. Ab 4 J.) S.K.
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