Wie wäre es heute einfach mal mit bis spät draußen bleiben? Auf Zehenspitzen durch die Stadt laufen? Oder einen blauen Vogel auf seiner Schulter sitzen haben? Matt Berninger mag vor 15 Jahren bereits an unserer Zivilisation verzweifelt gewesen zu sein, aber er konnte wenigstens schon damals seine
Sicht auf sie mit blumigen, beinahe fröhlichen Worten schildern. Dabei will der Sänger von The…mehrWie wäre es heute einfach mal mit bis spät draußen bleiben? Auf Zehenspitzen durch die Stadt laufen? Oder einen blauen Vogel auf seiner Schulter sitzen haben? Matt Berninger mag vor 15 Jahren bereits an unserer Zivilisation verzweifelt gewesen zu sein, aber er konnte wenigstens schon damals seine Sicht auf sie mit blumigen, beinahe fröhlichen Worten schildern. Dabei will der Sänger von The National den zitierten Song „Fake Empire“ eher als einen ironischen Kommentar zur verkommenen Menschheit interpretiert wissen, der der Sinn für die Wirklichkeit längst abhandengekommen ist.
Zu hören ist er auf „Boxer“, dem ersten Album des Fünfers aus Cincinnati/Ohio mit dem er gegen Ende der 00er-Jahre auf beiden Seiten des Atlantiks kommerziellen Erfolg hatte. Es war aber auch der Moment, in dem sich die Band aus ihrer Komfortzone heraus traute, alte Muster durchbrach und gewissermaßen nun Pop- und Artrock-Band gleichermaßen war. Pop, weil The National es hier erstmals verstanden ihre meist in sich gekehrten Postpunk-Kabinettstückchen in überlebensgroße Hymnen zu verwandeln. Und Artrock, weil die beiden Gitarristen und Zwillingsbrüder Aaron und Bryce Dessner ihre Instrumente mehr wie Absolventen von der Kunsthochschule bedienten, statt den runter gekauten Rocker zu geben.
Vielleicht machten The National auf ihrem viertem Longplayer nicht viel anders als vorher, aber dafür viel wirkungsvoller. „Mistaken For Strangers“, der große Hit des Albums, wirbelt wild durch die Gegend und drängst sich am deutlichsten auf. Das ruhige „Squalor Victoria“ marschiert mit einem dezent militärisch akzentuierten Rhythmus vorne weg. „Green Gloves“, „The Guestroom“ und „Start a War“ klingen hingegen wie große Pop-Gesten von erhabener Schönheit. Eine Eigenheit, die die Band schon früh auszeichnete, war, dass sie musikalisch gewissermaßen „zwischen den Stühlen“ saß, was sie zu Indie-Lieblingen machte. Bislang konnten The National ihr hohes Niveau halten. Spätere Alben mögen vielleicht konstruierter oder pomadiger geklungen haben. „Boxer“ besaß dagegen einfach ein Dutzend schwermütige, brillante Songs.