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  • Herstellerkennzeichnung
  • Galileo Music Communication GmbH
  • Dachauer Str. 5-7
  • 82256 Fürstenfeldbruck
Trackliste
CD
1Sale la Luna (Bulerias)00:04:14
2A mi bola (Tangos)00:03:27
3La Plazuela (Bulerias)00:04:38
4No te lo vendo (Tangos)00:03:18
5Pa vestir santos (Alegrias)00:03:34
6A Extremadura (Tangos)00:04:03
7Que bonita eres (Tangos)00:03:34
8Salistre (Bulerias)00:04:04
9Pani (Tangos)00:04:05
10La sangre mia (Bulerias)00:03:01
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2005

Dürfen die das?
Schöner Schandsieg: Flamencokünstler meistern die Tradition

Eigentlich hat es sich erledigt, aber das Spiel ist einfach zu schön. Man pflegt es mit böser Liebe, im Grunde ist es so alt wie der Flamenco und gehört zu ihm wie Gitarre, Tanzschuh, Händeklatschen. Es besteht aus der Frage: Darf man spielen, wie die jeweils jüngste Generation es tut? Verrät der Nachwuchs nicht das Erbe, verhunzt er nicht die Tradition? Wer so fragt, will das Überlieferte gegen das Experimentelle ausspielen, das volkstümlich Echte gegen das kommerziell Verfälschte. "Pureza" (Reinheit) ist das Stichwort, mit dem sich die immer gleichen Debatten entzünden lassen, die sich selbst genügen und immun sind gegen die Ergebnisse der jüngeren und jüngsten Flamencoforschung.

Die hat herausgefunden, daß es einen ursprünglichen, einzig im Kreis der gitanos, der andalusischen Zigeuner, gepflegten Flamenco nie gegeben hat. Entgegen den eifrig gestrickten Legenden verfügte der Flamenco nie über ein reines, unverfälschtes Repertoire. Seit seinen Anfängen in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts schöpfte er aus nahezu allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen: der spanischen Volksmusik, der französischen und italienischen Oper, den im damaligen Theater gebräuchlichen Zwischenstücken, der spanischen Zarzuela und der Musik aus den ehemaligen Kolonien. Grenzen kannte der Flamenco also nie. Und er wird sie sich auch in Zukunft nicht setzen lassen, im Gegenteil: Die meisten Flamencokünstler verstehen ihre Musik als unbekümmertes Spiel mit der Tradition, das sich des Erbes bedient, um es neu, bisweilen überraschend zu deuten.

"Estar alegre" (Fröhlich sein) hat der Sänger Vicente Soto Sodera, Sproß einer uralten Gitano-Familie, seine neue CD genannt. Die Platte enthält ausschließlich Bulerías, Tangos und eine Alegría, Formen also, die zum Bereich der cantes festivos, der festlichen Flamencogesänge, gehören. Doch richtig fröhlich klingen sie nicht, dazu hat Soto zuviel Luft aus ihnen gelassen. Keine Gitarre treibt den Sänger, statt dessen sechs sanft schnippende Hände, über deren rhythmisches Spiel sich immer mal wieder ein Chor erhebt. Herausgekommen ist ein reichlich entspannter Flamenco, der musikalisch mit der Tragik früherer Zeiten nichts mehr gemein hat. Textlich hält sich die Platte ans Übliche: Herz, Schmerz und Liebesleid.

An der karibischen Variante solcher Herzenspoesie hat sich der Sänger Diego El Cigala versucht. Zusammen mit dem kubanischen Pianisten Bebo Valdés hat er die CD "Lágrimas Negras" eingespielt, eine Interpretation klassischer Boleros. Zwar treiben sie den Schmachtfetzen die karibische Sanftmut nicht aus, aber sie wollen wissen, wie sie klingen, wenn man sie etwas härter anfaßt. Reichlich trocken schlägt Valdés darum die Tasten an, umkreist die elegischen Melodien in herben Harmonien, um sie dann an Cigala weiterzureichen, der ihnen mit rauher Stimme den Zucker vom Leib raspelt. Restlos vollenden läßt sich die Schleifarbeit indessen nicht, zu tief sind die Lieder in den süßen Guß getaucht. Dafür entspringt dem harten Zugriff eine so bestechende Klangfarbe, daß die Platte in Spanien binnen weniger Wochen mehr als hunderttausendmal verkauft wurde, wobei der braungebrannte Körper und die Hippiehaare das Ihre sicherlich beigetragen haben: Cigala bedient alle Zigeunerklischees, nach denen ein neoromantisch gestimmtes Publikum verlangt.

Allerdings riskiert es darüber, weniger spektakulär wirkende Künstler zu überhören, Curro Piñana beispielsweise. Der 1974 geborene Sänger gehört zur Klasse der payos, der nichtzigeunerischen Flamencokünstler. Die Unterscheidung, im Flamenco bis heute eine zentrale Kategorie, tut auch künstlerisch zur Sache. Die Gruppen pflegen einen sehr unterschiedlichen Gesangsstil: rauh, laut und dröhnend die gitanos; leiser, näselnder, nörgelnder die payos. "De la vigilia al alba" heißt Piñanas neue Platte, ein Meisterwerk des konzentrierten Kammertons. Behutsam nimmt der Sänger die Tradition seiner Heimatstadt Cartagena auf, die im neunzehnten Jahrhundert ein Zentrum der andalusischen Minenwirtschaft war und in deren Umfeld diese Minengesänge entstanden, die vom gefahrvollen Alltag unter Tage künden. Ihren beklemmenden Ton fängt Piñana wie kaum ein anderer Sänger ein, und wenn der Bergbau auch seit fast hundert Jahren kaum mehr existiert, so lebt seine Ästhetik doch weiter, in einer äußerst kargen Version allerdings, die sich vom häufig melodramatischen Duktus früherer Interpreten unterscheidet.

Ganz andere Töne schlägt die aus Barcelona stammende Sängerin Montse Cortés an. "La rosa blanca" heißt ihr neues Album, das, obwohl mit Gitarre, Baß und Violine recht sparsam instrumentiert, sich ausgiebig der Rezepte des Hymnenpops bedient. "Hiere" ("Es verletzt") ist das melodiöse Liebesopfer, das die Herz-Schmerz-Poesie in den seichtesten Wendungen auskostet. Doch was zählt der Sinn, solange es gut klingt? Cortés singt häufig nicht, sie schreit. Im Höllentempo stöhnt, klagt, winselt sie sich durch die Silben, um schließlich eine von ihnen zu ergreifen, sich darauf niederzulassen und zu schöner Schande zu reiten. Die Hymne bleibt zwar eine Hymne, doch trägt sie wenigstens ein paar Kratzer davon.

Der Flamenco bleibt auch weiterhin kratzbürstig, wie der Gitarrist Vicente Amigo beweist. "Un momento en el sonido", sein neues Album, kündigt im Innencover ländliche Stille an, die der Künstler nach Kräften überspielt: voll stolzer Anmut zunächst die Soleá, deren Takt Amigo durch rasend schnelle Läufe und herb hinlangende Akkordschläge auf die Sprünge hilft. Im Sturm durchläuft er auch die Farruca, einen ursprünglich aus Galicien stammenden Tanz, dessen bäuerliche Anmut er in ausgelassene Heiterkeit steigert, um sie dann, im Zusammenspiel mit dem Bandoneonisten Ariel Hernández, in milde Melancholie kippen zu lassen. Die Spannweite dieser Zwiesprache lotet Amigo in mehreren Stücken aus, den getragenen, wo es naheliegt, aber auch in einer Bulería, in der das besonnene Instrument mit einer Ruhe singt, als wäre es taub für die rhythmischen Wirbelwinde, die ein paar Tonlagen weiter unten toben.

Daß der Flamenco auch außerhalb Spaniens gedeiht, beweist der deutsch-japanische Gitarrist Michio. Zu seiner CD "Zambúllete" hat er den japanischstämmigen Shakuhachi-Spieler Tony Clark eingeladen. Der zielt mit seiner Längsflöte weniger auf die eigentliche Melodie als auf Dynamik und Klangfarbe, verleiht seinem Instrument durch akzentuiert zirkelnde Luftströme eine für europäische Ohren ungewohnte akustische Präsenz, die den Flamenco in bislang unbekannte Tonlagen hebt.

Daß der seinen spröden Klang nicht verliert, darüber wacht Michio auch dann, wenn er sich mit seinem Pianisten in romantischen Dialogen ergeht. Mit hartgebetteten Akkorden und trockenen Läufen hält er seine Arrangements im Rahmen herber Formensprache, aufgelockert gelegentlich durch einen Stich ins Fruchtig-Süße, zu dem der Flamenco seine Hörer in postdogmatischen Zeiten immer öfter einlädt.

KERSTEN KNIPP

Vicente Soto, Estar alegre. Galileo 12661.

Bebo Valdés/Diego El Cigala, Lágrimas Negras. Ariola 655910 (BMG)

Curro Piñana, De la vigilia al alba. RTVE B000696QO4

Montse Cortés, La rosa blanca, Ariola 664162 (BMG)

Vicente Amigo, Un momento en el sonido, Sony BMG 668953

Michio, Zambúllete. Alameda Production, 13864

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