Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 3. August 2007
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Geffen,
- EAN: 0602517321939
- Artikelnr.: 22915598
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Intro [from "Finding Forever"] | 00:01:17 | |
2 | Start The Show | 00:03:15 | |
3 | The People | 00:03:25 | |
4 | Drivin' Me Wild | 00:03:43 | |
5 | I Want You | 00:04:30 | |
6 | Southside | 00:04:44 | |
7 | The Game | 00:03:32 | |
8 | U, Black Maybe | 00:05:02 | |
9 | So Far To Go | 00:04:28 | |
10 | Break My Heart | 00:03:40 | |
11 | Misunderstood | 00:04:44 | |
12 | Forever Begins | 00:07:36 |
Das neue Album des Chicagoer Hip-Hop-Stars Common
Darf man von Hip-Hop etwas anderes als Adrenalin, Sex, Gewalt erwarten? Ist der Kick des moralisch provokanten oder gar Verbotenen nicht längst dessen legitimer Bestandteil? Und welche Jugendkultur beruht schon auf Sedativen?
Doch dann rauscht der erste Track aus Commons neuem Album "Finding Forever" durch die Lautsprecher - elegante Soul- und Jazzsamples umschmeicheln die Ohren, der Puls geht runter, und man kann sich in Sicherheit wiegen. Der Chicagoer Rapper mit der leicht erkältet klingenden Stimme wird einen die nächsten fünfzig Minuten weder mit Fluchwörtern, Großmäuligkeiten noch politisch inkorrekten Witzen behelligen. Commons größter Gewinnposten ist aber auch sein Fluch: Er könnte wunderbar Seminare für den Hip-Hop-Nachwuchs über die Frage abhalten, wie man würdevoll altert und sich als Rapper mittleren Alters nicht zum Affen macht. Darüber, wie wie man intelligente Reime sanft in die Beats einbettet. Und mit all den Millionen auf dem Boden bleibt. Wenn Pop bloß nicht vom Gegenteil lebte!
Anstand, Integrität, Unbestechlichkeit bleiben Commons Markenzeichen, auch sein Auftreten in Werbespots konnten daran nichts ändern. Keine Frage: Lonnie Rashid Lynn jr. alias Common gehört zu den Guten. Ein Rapper mit genug Stil und Wagemut, um der Kunst willen selbst kommerzielle Flops in Kauf zu nehmen. Unvergessen ist sein Album "Electric Circus" von 2002, das ihn in die Randzonen klanglicher Hip-Hop-Experimente katapultierte und wie die Neuauflage eines schwarzen Beatniks aussehen ließ. Ebenso eigenwillig und großartig war sein von Afrobeats und Literaturzitaten angetriebenes Meisterwerk "Like Water For Chocolate". Common konnte sich solche Ausflüge in die Unberechenbarkeit leisten - schließlich gilt er seit seinem Debüt vor fünfzehn Jahren als einer der besten und intelligentesten Reimschmiede der Szene und rappte auf konventionellen Klassikern wie "One Day It'll All Make Sense" von 1997 die gesamte Konkurrenz an die Wand.
"Finding Forever" ist Commons siebtes Album und das erste, das unmittelbar an seinen Vorgänger anschließt: Mit "Be" feierte er 2005 seinen bis dato größten Erfolg, er erreichte Platinstatus und wurde gleich viermal für den Grammy nominiert: Der Hit-Garant Kanye West hatte seinem Jugendfreund und ehemaligen Mentor so raffiniert produziert, dass sich Soul und Kommerz nicht mehr im Weg standen. Und gemeinsam gehen sie diesen Mittelweg nun weiter. Welcher andere Rapstar verfügt schon über Commons Gabe, soziale Missstände anzuprangern, ohne dabei lehrerhaft zu wirken, über seine Spiritualität, seine scharfzüngigen Metaphern? Es sind vieldeutige Bilder wie "a conscious nigga with mac(k) like Steve Jobs", die "Finding Forever" mit jedem Hören wachsen lassen. Man sollte genau zuhören, wenn Common scharfsichtig von Drogendealern rapt, die ihre eigene Intelligenz nicht zu schätzen wissen, von College Girls, die dem falschen Traum nachjagen, und dem verwirrenden Chaos des Alltags harte politische Fakten vom Rassismus bis zur globalen Erwärmung gegenüberstellt.
In empathischen Ghetto-Hymnen wie "Black Maybe" oder "The People" bilden ein dahinklimperndes E-Piano, Stakkato-Streicher und gesampelte Schreie den treibenden Hintergrund für Commons Raps - sanft und doch unbarmherzig auf den Punkt. Und wenn der weibliche Soul-Chor "the days have come" säuselt, hängt man noch immer den Reimen nach, die von Karma und Cadillacs sprechen, "Botswana" auf "Obama" reimen. Auch verzichtet Common auf spektakuläre Gäste: Lediglich auf "Drivin' Me Wild", einem Song über die Fallen des Materialismus mit einer kleinen, insistierenden Melodie, die von harten Marschkapellen-Beats vorangetrieben wird, darf die britische Rapperin Lilly Allen den Refrain singen. Ähnlich eingängig "The Game", dem Bläser-Samples und DJ Premiers Scratches einen Anstrich von alter Schule verleihen.
Den Höhepunkt des Albums aber liefert eine Produktion von Kanye Wests Cousin Devo Springsteen: "Misunderstood". Der Song adaptiert Nina Simones gleichnamige Blues-Hymne, flicht Raps und Gesang zusammen, ohne wie ein Sample zu wirken. Seine bedrohlich-brütende Atmosphäre ergänzt Commons Reime über einen Missetäter, der vergeblich auf Einlass in den Himmel wartet und schließlich darum fleht, als Botschafter der Umkehr zu seinen Leuten zurückgeschickt zu werden.
Diese fünf, sechs Stücke sind herausragend. Doch verwechseln seine Produzenten leider allzu oft Schlaffheit mit Entspannung, Manierismus mit Gediegenheit, etwa auf "Break My Heart", einem Liebeslied, das wohl alles wiedergutmachen will, was die misogynen Gangsta-Rapper den weiblichen Fans angetan haben. Doch wenn Liebe sich so anfühlt wie Kanye Wests ziellos dahinmäanderndes Jazz-Softrock-Gebräu, dann wünscht man sich einen starken Espresso, um nicht vollends hinwegzudösen. Auch das ausgewalzte Gitarrenriff von "South Side" klingt nach einem Abfallprodukt von Wests Festplatte. So bietet Commons Album oft mehr gute Absichten als Adrenalin-Gehalt - es überwiegen Klänge für "Kaffeehaus-Chicks und weiße Typen", wie Common einmal selbst über sein Publikum gewitzelt hat. Doch ob er wirklich vorhatte, Entspannungshilfen für gestresste Banker zu liefern? "Finding Forever" mag seinem Ewigkeitsanspruch nicht gerecht werden: Für die nächsten Jahre zumindest dürfte es die Café-Latte-Bars dieser Welt beschallen.
JONATHAN FISCHER
Common, Finding Forever. Geffen/Universal 7321939
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