Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 28. März 2008
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Decca,
- EAN: 0028947587460
- Artikelnr.: 23437495
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
| CD | |||
| 1 | "Da tempesto il legno infranto" (DRITTER AKT) | 00:06:16 | |
| 2 | "Lascia ch'io pianga" (ZWEITER AKT) | 00:05:02 | |
| 3 | Tornami a vagheggiar (Act 1) | 00:04:33 | |
| 4 | Dolce riposo (Act 2) | 00:03:52 | |
| 5 | Ira, sdegni...O stringerò nel sen (Act 2) | 00:04:36 | |
| 6 | Aria: "Felicissima quest'alma" (Original Version) | 00:05:50 | |
| 7 | "Il mio crudel martoro" (Act 2) | 00:11:12 | |
| 8 | Vo' far guerra (Act 2) | 00:07:32 | |
| 9 | Ah! Spietato! (Act 1) | 00:05:34 | |
| 10 | Myself I shall adore (Act 3) | 00:07:34 | |
| 11 | "Piangerò la sorte mia" (DRITTER AKT) | 00:06:20 | |
| 12 | Endless pleasure... (Act 1) | 00:03:32 | |
Notwendiger Nachtrag: Der Stapel mit Soloalben wächst immer noch weiter im Händel-Gedenkjahr. Während die Sänger die Koloraturen vergeigen, bescheren uns Sängerinnen Sternstunden.
Der erste Bass, dem vor zwölf Jahren ein Recital mit Arien von Georg Friedrich Händel zugestanden wurde, war Bryn Terfel. Seltsamerweise griff er auf Kastratenarien zurück, aus den Opern "Berenice", "Alcina", "und "Giulio Cesare" sowie eine Tenorarie aus "Semele". Nun kündigt die Deutsche Grammophon an, die Zeit sei reif für Ildebrando d'Arcangelo. Zwar stimmt auch er, in Salzburg als Figaro erfolgreich, das berühmte Larghetto auf die Platane an, in deren Schatten sich König Xerxes so wohl fühlt. Ansonsten hat er Arien ausgesucht, die Händel für tiefe Stimmen maßgefertigt hatte, unter anderem für Antonio Francesco Carli, Giuseppe Maria Boschi und Antonio Montagnana.
Boschi, mit seinem Umfang vom großen zum eingestrichenen "g" nach heutigen Kriterien ein Bariton, war ein ungestümer Sänger und Darsteller von Schurken oder Tyrannen. In fünfzehn Opern schrieb Händel für ihn überwiegend dramatisch-heftige, mit der Affekt-Koloratur durchwirkte Arien. Montagnana dagegen war ein echter Bass mit einem Umfang vom großen "E" bis zum eingestrichenen "f". Charles Burney rühmte die "Tiefe, Kraft, Weichheit seiner Stimme und seine Intonationssicherheit bei weiten Intervallen", in "Orlando" sang er "mit einer Stimme wie eine Kanone".
Er wolle sich, so erklärt d'Arcangelo, "den enormen technischen Anforderungen" dieser Arien stellen und den "vielen verschiedenen Nuancen des Ausdrucks" gerecht werden. In "Gelido in ogni vena" aus "Siroe", der einzigen langsamen Arie, die Händel für Giuseppe Maria Boschi geschrieben hat, gelingt ihm eine farbig-differenzierte Darstellung der verzweifelten Schuldgefühle des Cosroe, einer Lear-Figur, und auch in der Arie des Polifemo aus "Aci, Galatea e Polifemo" überzeugt d'Arcangelo durch die Nuancen der Dynamik und den enormen Ambitus der vor allem in der hohen Lage kernigen Stimme. Den technischen Anforderungen wird er hingegen nicht entfernt gerecht. Vergleicht man diese Neuaufnahme von Claudios arrogant-pompöser Arie "Io di Roma Giove sono" mit der von Alastair Miles, die von Zoroastros "Lascia amore, e sequi Martel" oder "Sorge infausta una procella" aus "Orlando" mit der von David Thomas, endlich die von Argantes "Sibilar gl'angui d'Aletto" mit denen von Samuel Ramey oder Gerald Finley, wird das Niveaugefälle hörbar. Das betrifft nicht allein die desaströsen Koloraturen und Teilungen, die von d'Arcangelo durch Aspirationen (das Einschieben des Hauchlautes H) in die Schieflage der Groteske versetzt werden, sondern auch die stößigen Phrasenenden.
Mit dieser CD wurde dem Sänger kein Dienst erwiesen. Die Stimme Lorenzo Regazzos mit ihrem festeren, bassigem Fundament ist vielleicht auf so gefällige Weise attraktiv. Aber sein Händel-Recital, teils mit identischem Repertoire aus "Siroe" oder "Orlando", ist besser gelungen. Auch er kommt in den Koloraturen nicht ohne Behauchungen aus. Singt aber durchweg geschmeidiger, eloquenter in der Ausformung der Texte. Ein Juwel: die Kantate "della guerra amorosa". Exzellent dazu das Concerto Italiano unter dem omniprädenten Rinaldo Alessandrini.
Sein Album sollte vielleicht besser den Titel "Ronaldo Villazón Tries to Sing Handel" bekommen, sagte der berühmte Tenor mit vorbeugender Ironie. Ihm gerecht zu werden, ist nicht leicht. Der eminente englische Händel-Kenner David Vickers begeisterte sich für die Exuberanz, die vielen halbherzigen Anthologien fehle - aber es bedarf eines erworbenen Geschmacks, um den affektgetränkten Vortrag Villazóns zu genießen; und nicht nur Puristen werden die Inklusion von Arien aus "Ariodante" und "Serse" für inakzeptabel halten, ist doch die Besetzung von Kastratenpartien mit Tenören gerade von den Vertretern der historischen Aufführungspraxis wegen der Zerstörung der Tonhöhenbalance zwischen Instrumenten und Stimme verworfen worden.
Wenn Villazón das fälschlich als Largo deklarierte "Ombra mai fu" singt, fühlt man sich an den süßen Gefühlsstil italienischer Sänger der dreißiger Jahre (Tito Schipa oder Benjamino Gigli) erinnert. In ähnlicher Weise wird Ariodantes "Scherza infida" mit seinen gedämpften hohen Streicher, den Pizzicato-Bässen und den disharmonischen Einwürfen der Fagotte zwar betörend schön gesungen, aber in ein romantisches Stimmungsstück verwandelt. Unglücklich der Start des Recitals mit der zweiten Arie des Bajazet aus "Tamerlano" - der einzigen wirklich großen Tenorpartie in Händels Opern. Villazón hat mit Oktavsprüngen ebenso Mühe wie mit den Melismen auf dem Mezzoforte.
Gelungen sind die flammenden Koloraturen von "Crude furie" aus "Serse", das dramatische Rezitativ des Bajazet und die Sterbeszene mit dem innigen Abschied von seiner Tochter Asteria. Im Accompagnato "Tu, spietato, il vedrai" führt das vokale Agieren in gefährliche Nähe zur maniera verista. Exzellent aber die Begleitung durch die Gabrieli Players unter Leitung von Paul McCreesh.
Im Vergleich zu diesem gleichermaßen irritierenden und faszinierenden Recital bereitet die Anthologie von Danielle de Niese eine Enttäuschung. Die junge Sopranistin ging hervor aus dem Young Artist's Program der Met. Sie sieht blendend aus und passt perfekt in die Reihe der Models, die heute zu Stars gekürt werden. Ihre Stimme ist hell und wendig. Doch man muss Joan Sutherland in Morganas "Tornami a vagheggiar" oder Cecilia Bartoli mit Semeles "Myself I shall adore" oder "Endless pleasure, endless love" hören, um zu bemerken, was virtuose Brillanz und expressiver Furor von niedlichem, oft auch angestrengtem Vokalismus unterscheidet. Mit den schönsten Melodien Händels, den unbezwinglich traurigen wie "Lascia ch'io pianga" aus "Rinaldo" oder "Piangerò la sorte mia" aus "Giulio Cesare", ist ihre monochrome und dynamisch wenig variable, in der Höhe oft spitzige Stimme hoffnungslos überfordert. Für William Christie und sein Ensemble Les Arts Florissant scheint das Recital nicht mehr als die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung gewesen sein.
Hat de Niese nicht mehr zu bieten als Imitate, so verzaubern Sandrine Piau und Sara Mingardo, vom Concerto Italiano unter Alessandrini brillant begleitet, mit erlesenen Unikaten. Wie wohltuend der Verzicht auf die abgenutzten Vielliebchen, wie willkommen die selten zu hörenden Arien und Duette aus "Tamerlano", "Poro" und "Ezio"! Der Eigenreiz beider Stimmen - der klare, reine, leuchtende Ton der technisch exzellenten französischen Sopranistin und der dunkle, warme und sinnliche Klang der venezianischen Altistin - verzaubert in den Soloarien. Er verdoppelt sich im Zusammenklang der Duette: gleich zu Beginn in dem amourös-aufgeladenen "Caro! Dolce! Amplesso" aus "Poro", dann wieder in "Scherzano sul tuo volto" aus "Rinaldo" und "Vivo in te" aus "Tamerlano". Eine Sternstunde.
JÜRGEN KESTING
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